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Es gibt doch noch eine kleine Chance für den Eberbacher Hilfsbasar

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Von Peter Bayer

Eberbach. Ende August endete in Eberbach eine beispiellose Hilfsaktion. Wolfgang Court musste sein Lager im Erdgeschoss des Dr.-Schmeißer-Stifts räumen, nachdem ihm gekündigt worden war. Auf rund 600 Quadratmetern hatte er seit 15. Januar 2015 im leer stehenden Seniorenwohnheim einen kostenlosen Hilfsbasar für Flüchtlinge betrieben. Die Suche nach anderen Räumlichkeiten war erfolglos geblieben - bis vor kurzem. Nun hat der umtriebige Eberbacher wieder einen Platz gefunden: im Dr.-Schmeißer-Stift.

Zwar soll das Stift saniert werden, der Keller vorerst aber nicht. Dort steht im Prinzip die gleiche Fläche wie im Erdgeschoss zur Verfügung, allerdings zerstückelt. "Ich habe bei Frau Popp angefragt, sie hat mir spontan den ehemaligen Gymnastikraum zugesagt", schildert Court, wie es zu der erfreulichen Lösung kam. Mit 70 Quadratmetern steht Court zwar nur etwas mehr als ein Zehntel der früheren Fläche zur Verfügung, doch besser als nichts.

Ein Blick zurück. In den Räumlichkeiten des Schmeißer-Stifts fanden Hilfsbedürftige rund 19 Monate lang fast alles, was sie suchten: von Kleidung und Schuhen über Haushaltswaren. Es handelte sich dabei durchweg um Spenden von Privatpersonen wegen Haushaltsauflösungen, Umzügen oder der Anschaffung neuer Möbel. Doch Ende August war Schluss, das Lager musste geräumt werden. Bei der Auflösung war noch sehr viel übrig - fast 90 Kubikmeter. Mit Ausnahme der Möbel wurde und wird alles nach Kenia gebracht.

Doch was treibt einen Mann wie Wolfgang Court an, sich - ungeachtet von Rückschlägen - so stark für Flüchtlinge und Hilfsbedürftige einzusetzen? "Ich will generell Schwächeren helfen, vor allem Flüchtlingen", sagt der seit vier Jahrzehnten in Eberbach lebende Court. Nahezu jeder habe einen Migrationshintergrund, man müsse nur weit genug zurückblicken. "Ich selbst bin hugenottischer Abstammung, die wurden damals ähnlich verfolgt, wie die Juden im Dritten Reich."

Er wollte sozial aktiv werden, schloss sich 2009 den "Grünen Damen" an. Aber wie kam es vom Mitwirken bei den "Grünen Damen" zum kostenlosen Hilfsbasar für Flüchtlinge im Dr.-Schmeißer-Stift? Auslöser war ein Einkauf bei Lidl. Court kann sich noch gut an den 27. November 2014 erinnern. Ein Ehepaar mit einem übervollen Einkaufswagen fällt ihm auf, er fragt sich noch "wie kriegen die das wohl nach Hause?" - und erledigt seinen Einkauf. Für Wolfgang Court war es zunächst eine zufällige Begegnung mit dem bosnischen Ehepaar, aber nicht die letzte. Zum zweiten Mal sah Court sie von seinem Auto aus auf dem Weg zum Bahnhof. "Die haben sich abgeschleppt, mussten alle paar Meter stehen bleiben und Pause machen", sagt er. Court stieg aus, wollte helfen. Eine Verständigung war jedoch nicht möglich. Das einzige, was er verstand war "Lindach". Der Eberbacher fuhr das Pärchen in die Unterkunft nach Lindach.

Es blieb nicht die letzte Begegnung. Am nächsten Tag sah er die Frau wieder, diesmal mit ihrer Mutter. "Die Frau hat ganz aufgeregt auf mich gedeutet, dann ist ihre Mutter auf mich zugelaufen, vor mir auf die Knie gesunken und hat mich gesegnet", schildert Court den bewegenden Moment. Im "Gespräch" fiel irgendwann das Wort "Dolmetscher". Also schnappte er sich Stift und Zettel und schrieb: "Lieber Dolmetscher, ich will der Familie helfen".

Nach einer Woche hat sich der "Dolmetscher" bei ihm gemeldet. Er war ebenfalls Bosnier, der gut Deutsch sprach. Court besuchte die Familie, brachte ihnen Süßigkeiten und Kleidung mit. Er sah, dass es dort noch mehr Familien mit vielen Kindern gab. "Wenn sie mein Auto beim ’Schiff’ sahen, dauerte es nicht lange, und ich war von Kindern umringt", erinnert er sich. Und Court blickte in Kinderaugen. Augen, die fragten "Wieso gehst Du zu denen und nicht zu uns?" Nun, Court kam in der Folge auch zu ihnen, die "Mitbringsel" wurden immer mehr, bald war der Kofferraum voll beladen. Aus der Unterstützung für die Flüchtlinge in Lindach wurde schließlich Courts Engagement für Flüchtlinge und Hilfsbedürftige im Dr.-Schmeißer-Stift.

Dort findet es nun nach einer zweimonatigen Unterbrechung seine Fortsetzung. Wegen der kleineren Fläche kann Court jedoch keine Möbel mehr zwischenlagern. Die will er "eins zu eins" an Familien weitergeben, was schwierig ist. Mit entsprechendem Verlauf kann es aber klappen, wie das jüngste Beispiel zeigt. Ein Schlafzimmer aus Eberbach, eine Wohnwand aus Pleutersbach und eine komplette Wohnungseinrichtung aus Gammelsbach hat er an zwei syrische Familien vermittelt, die gerade eine Wohnung gefunden haben und Möbel suchen.

Fi Info: Geöffnet ist ab Samstag, 5. November, dienstags und samstags von 10 bis 14 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung (01 76 /56 69 72 58).


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