Von Christa Huillier
Hirschhorn. Zu einer ganz besonderen Führung hatte die Tourist-Info am Freitag ins Langbein-Museum eingeladen. Bei einem Rundgang durch die "Naturalien- und Alterthümersammlung" des Hirschhorner Gastwirts und Namensgebers des Museums, Carl Langbein, plauderte Rosa Wehlitz als Carls Schwester Ida im Gründerzeit-Outfit aus dem Nähkästchen. Der 200. Geburtstag ihres Bruders wurde 2016 mit zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen gefeiert. Die Geschwister Langbein waren Ur- Hirschhorner. Während es über Carl Langbein einige biografische Dokumente gibt, und seine Sammlung viel über seine Persönlichkeit aussagt, ist über seine Schwester wenig bekannt.
Ida wurde 1833 geboren und starb 1910. Trotz vieler Verehrer blieb sie unverheiratet. Den Gasthof "Zum Naturalisten", den ihr Bruder 1854 erwarb, und in dem im Laufe der Jahre viel Prominenz abstieg, führte sie mit Unterstützung ihrer Schwägerin Maria als emanzipierte Frau praktisch allein. Ihr vielseitig interessierter Bruder hatte nämlich als "warmer Teilnehmer alles Schönen, Religiösen, der Kunst und der Wissenschaft" andere Dinge zu tun. Er sammelte alles, was ihm unter die Finger kam, stopfte Vögel aus, schrieb Gedichte und gründete den Verkehrs- und Verschönerungsverein mit. An Carls Leidenschaften hatte Ida wesentlichen Anteil. So begeisterte sie sich wie ihr Bruder an der Geflügelzucht. Einem Zeitungsartikel ist zu entnehmen, dass Ida 1890 - wahrscheinlich mit der Kutsche - zur Geflügelausstellung nach Frankfurt fuhr, wo sie ein Huhn gewann. Ob das Federvieh im heimischen Hühnerstall oder im Suppentopf landete, ist nicht überliefert.
Von den Hirschhornern wurden die Langbein-Damen als "Naturalistinnen" bezeichnet. Finanziell war die Familie gut gestellt. Die Kleidung Idas entsprach der Mode der Gründerzeit. Unter der üppigen Rockfülle trugen die Damen bis zum Knöchel züchtig die "Unaussprechliche", von Rosa Wehlitz als "String-Tanga der Gründerzeit" bezeichnet. Die Unaussprechliche war im Schritt offen, denn die ausladende "Tournure", auch "Cul de Paris" (Po von Paris) genannt, war beim Toiletten-Plumpsklo-Gang doch sehr hinderlich. Schminke war für die Damen tabu, sie war Schauspielerinnen und Dirnen vorbehalten. Zahnbürsten waren Luxus. Da sie sehr teuer waren, wurden sie nicht allzu häufig gewechselt. Für einen makellosen Teint sorgten Schönheitsmasken aus Rinderhack. Nach dem Tod ihres Bruders im Jahre 1881 verwaltete Ida das Erbe Carl Langbeins. Die wohltätige Hirschhornerin machte zahlreiche Stiftungen. Einzig erhaltenes sichtbares Zeichen ist der Dachreiter der Klosterkirche, für den sie 1500 Mark stiftete.
Beim Rundgang wies Ida Langbein auf wertvolle und skurrile Sammelobjekte ihres Bruders hin. Im ersten Raum hängt das Wirtshausschild des väterlichen Gasthofs "Zum Ochsen", den Carl in den 1840er erwarb. Das Elefantenohr an der Wand beweist, dass die Sammlung des Naturalisten ein breites Potpourri an Kunst und Kitsch ist. Das Porträt von Kurfürstin Elisabeth Auguste hängt schief, ein Zeichen, dass die Gattin von Carl Theodor etwas aus dem Rahmen fiel. Ihre Ehe mit dem Kurfürsten war eine politische Verbindung und nicht sehr glücklich. Erotischen Abenteuern war die lebenslustige Dame nicht abgeneigt.