Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach. "Reiner Zufall war das alles", sagt Katharina Fiorillo. Sie und ihr Mann Giuseppe haben ein hübsches Haus, einen gepflegten Garten und ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe über Biotopgestaltung und Artenschutz.
Familie Fiorillo wollte gar kein Biotop. Sie wollten, dass ihr Haus gut in Schuss ist, dafür ließen sie vor ein paar Jahren das Dach neu decken und zwar so, dass die Wände vor Feuchtigkeit geschützt sind. Aber dann bröckelte 2013 der Putz unter dem Flachdach, an der Fassade zeigte sich ein großer nasser Fleck, genau gesehen einige Meter lang.
Keine Frage, das musste schnellstens saniert werden. Doch vorher war noch Katharina Fiorillos Geburtstag. Wie auch sonst regelmäßig fand sich die ganze Familie ein: Tochter, Sohn, Schwieger- und Enkelkinder. Es war einer der Enkel, der auf einmal sagt: "Guck, Oma, da sind Fledermäuse!" Sie kamen aus dem Dach, dort, wo der nasse Fleck war.
Von nun an sah Katharina Fiorillo sie regelmäßig. Als Fahrerin von Kinder-Schultransporten muss sie früh raus, ihr Tag fängt um Viertel vor fünf Uhr morgens an, wenn es grade hell wird. Dann kehren die Fledermäuse grade heim, zurück an ihren Nistplatz unter dem Dach von Katharina und Giuseppe Fiorillo.
Als Katharina Fiorillo den Bericht über die Fledermaus-Kolonie in der Ersheimer Kapelle las, rief sie in der Redaktion an: Um Fledermäuse zu sehen, müsse man nicht nicht eigens nach Hirschhorn fahren. Kürzlich waren die Enkel wieder da und haben gezählt, bei hundert gaben sie auf. Über 200 sind es nach offizieller Schätzung wohl, genau wissen sie nicht, was unter dem Dach los ist: "Ohne Gerüst kommen wir da ja nicht hin." Und das kostet. Um den Fassadenschaden zu reparieren, musste eines aufgestellt werden. Wobei das noch so ziemlich das kleinste Problem war. Umweltbewusst und gesetzestreu hatte Katharina Fiorillo die Fledermaus-Kolonie dem Naturschutzbund gemeldet.
Von dort kam Dieter Kappes und machte Fotos, danach kam Brigitte Heinz, Diplom-Biologin und Fledermaus-Expertin, mit der sich Katharina Fiorillo hervorragend versteht. Was aber nichts daran änderte, dass danach ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe mit einer Reihe von Vorgaben kam, denn Fledermäuse gelten als bedrohte Art. Die unter ihrem Dach, die Zwergfledermaus Pipistrellus pipistrellus, ist sogar streng geschützt.
Katharina Fiorillo und ihr Mann wurden also unversehens zu Artenschützern. Das Regierungspräsidium sagt jetzt, was sie an ihrem Haus machen dürfen und was (besser) nicht.
"Fledermausgerecht" musste die Sanierung sein, mit einem 20 Zentimeter langen, unverputzen Spalt, damit die Fledermäuse ungehindert ein- und ausfliegen können; eine Kupferverblendung soll die Fassade vor Feuchtigkeit schützen.
Alle Maßnahmen mussten im Spätwinter abgeschlossen sein, rechtzeitig, bevor die Fledermäuse aus dem Winterquartier kamen. Dass sie wieder einziehen konnten, wurde ihnen sozusagen amtlich genehmigt, Mieterschutz inklusive. Durch Veränderungen in der Landwirtschaft und moderne Bauweisen finden Fledermäuse kaum noch Rückzugsmöglichkeiten. 25 Fledermaus-Arten sind in Deutschland heimisch, die Zwergfledermaus, die sich das Haus Fiorillo als Quartier ausgesucht hat, ist die kleinste.
Theoretisch hätte sie in einer Streichholzschachtel Platz, wenn sie fliegt, ist sie nicht größer als ein Spatz - wohl deshalb hat Katharina Fiorillo wohl lange Zeit gedacht, es wären Vögel, die da ums Haus schwirren.
Tagsüber schmiegen sie sich in enge Spalten wie eben an der Dachtraufe. "Sie brauchen den Kontakt an Rücken und Bauch, um sich geschützt zu fühlen", sagt Dieter Kappes. Für den NABU Eberbach kümmert er sich seit fast einem Vierteljahrhundert um die exzellenten Insektenjäger.
Aus Erfahrung weiß er, dass das Miteinander normalerweise völlig unproblematisch ist. Mehr noch: "Wo Fledermäuse sind, kann man davon ausgehen, dass das natürliche Umfeld im Gleichgewicht ist." Naturschutz, betont er, schütze letztlich den Menschen, der auch nur ein Teil im Gesamt-System ist.