Schönbrunn. Die Weichen sind gestellt, das Projekt kann anrollen. Ziel der Fahrt, die ab Herbst zwei Jahre lang durch noch unberührtes Neuland führen wird, ist der "Intelligente Marktplatz". Ein Begriff, der einen innovativen Ansatz verfolgt, um der Verkümmerung von Nahversorgungs- und Dienstleistungsangeboten im ländlichen Raum entgegenzuwirken und bedarfsgerechte Lösungen für jüngere ebenso wie ältere Dorfbewohnern zu schaffen. Der Intelligente Marktplatz ist der Versuch, die fortschreitende Digitalisierung in diesem Prozess einmal nicht als Problem, sondern als Chance zu begreifen, stationäre und Online-Angebote miteinander zu verknüpfen. Denn die Projektmacher gehören zu denen, die nicht glauben wollen, dass "das Internet den Einkauf im Laden, wo man die Produkte tatsächlich anfassen und sich auch mal mit Bekannten unterhalten kann, gänzlich ersetzen können wird". Bei dieser Entwicklung darf Schönbrunn jetzt zusammen mit Spechbach Modellkommune sein. Für Bürgermeister Jan Frey ist das so spannend, dass es ihn vor Tatendrang schon jetzt auf seinem Sitz hinterm Schreibtisch kaum noch hält. "Das gibt es bisher nirgends!" Und dabei - Frey ist da auch ganz haushälterischer Schultes - "kostet uns das Ganze: nichts!"
Das liegt daran, dass das Projekt von der Wirtschaftsförderung des Rhein-Neckar-Kreises getragen und zur Hälfte finanziert wird. Die andere Hälfte übernimmt das EU-Förderprogramm für den ländlichen Raum Leader, womit die 54.000 Euro für die Einstiegsphase in den Intelligenten Marktplatz da sind - und zwar ab sofort.
Ende Juli hatten Frey und sein Spechbacher Amtskollege Guntram Zimmermann ein erstes Gespräch im Landratsamt, bei dem auch die Kooperationsvereinbarung beider Gemeinden unterschrieben wurde. Mit dabei: Florian Gillwald von der prozessbegleitenden Beraterfirma CIMA. Das Stuttgarter Unternehmen ist schwerpunktmäßig im Bereich Regionalentwicklung und Einzelhandel tätig. Es erstellt Nahversorgungskonzepte in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Landkreisen.
Aufgabe der CIMA ist dabei zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme, und darauf aufbauend dann eine Machbarkeitsstudie mit konkreten Handlungsempfehlungen, wie sich der Intelligente Marktplatz in beiden Kommunen umsetzen lässt. Denn darauf kommt es schließlich an: "Dass wie nichts für die Schublade produzieren, sondern was Umsetzbares", zitiert Jan Frey Landrat Stefan Dallinger. Natürlich muss dabei den Bürgern die Hauptrolle zukommen. Es geht schließlich um ihre Versorgungsbedürfnisse. Für die Älteren, überlegt Frey, wäre vielleicht eine Angebotsbündelung an einer Stelle wünschenswert: "Abholstation, Frisör, Bank - vielleicht auch ein Treff, damit sich die Menschen miteinander austauschen können". Dagegen geben jüngere Dorfbewohner womöglich der Lebensmittellieferung an der Haustür den Vorzug, wenn sie abends müde von der Arbeit heimkommen. Aber: "Wir gehen völlig ergebnisoffen in diesen Prozess", betont Frey, "wir wollen wissen, wie sehen das die Bürger".
Die Sache beginnt für Schönbrunn am Dienstag, 26. September, mit dem ersten von mehreren Nahversorgungsforen, in Spechbach am 11. Oktober. Eingebunden werden sollen die Dorfbewohner darüber hinaus mittels mehrerer Workshops. Beide Kommunen wollen sich dabei immer eng miteinander abstimmen, "das wird der totale Austausch, das ist wichtig!" hat sich Jan Frey schon jetzt vorgenommen, auch beim Forum der Spechbacher aufzukreuzen, um hautnah zu erfahren, wie die Menschen dort ticken. Gut möglich, dass beide Modellkommunen aufgrund ihrer unterschiedlichen Strukturen - Schönbrunn besteht aus fünf Ortsteilen, Spechbach steht für sich - in punkto Intelligenter Marktplatz zu ganz anderen Ergebnissen kommen.
Auf jeden Fall springt dabei aber bis 2019 für beide eine passgenaue Umsetzungsempfehlung heraus, geht Jan Frey mit hohen Erwartungen an den Prozess heran. "Und vielleicht lässt sich das am Ende ja auch an andere weitergeben!" Wie gesagt: mehr Spannung geht nicht.