Von Jutta Biener-Drews
Eberbach. Kurz vor Drei im Stadthallen-Foyer. Oben vor der Bibliothekstür vergnügtes Kinderquieken, kleine Füße trappeln über den Teppichboden. Fast ein Dutzend Leute mit und ohne Büchertaschen warten schon auf Einlass: Kinder, Männer, Frauen, junge und ältere. Punkt 15 Uhr dreht Sieglinde Peischl von drinnen den Schlüssel im Schloss, und die kleine Gruppe verteilt sich wie auf ein geheimes Kommando zwischen Theke, Regalen und Kinderspieltisch in der Stadtbücherei. Offenbar weiß jeder hier ganz genau, was er da drinnen will.
An der Ausleihe packt eine ältere Dame ein schweres Bündel ausgelesener Bücher aus: dicke Schmöker, die Sieglinde Peischl mit dem Scanner erfasst. Peischl und Christiane Schweizer gehen Bibliothekarin Luzia Scharf zur Hand, die im Nebenraum ihre Arbeit aufgenommen hat. Viermal nachmittags zwischen 15 und 17 bzw. 18 Uhr und zweimal vormittags ist die Stadtbibliothek für den Publikumsverkehr geöffnet. Ein Publikum, das hier beispielhaft generationenübergreifend aufgestellt ist: vom vor den Mutterbauch geschnallten Säugling über Kindergartenkinder, Schulbuben und -mädchen, Jugendliche, Erwachsene jeden Alters bis zu Senioren ist alles vertreten. Die Besucher kommen in Grüppchen, als Familien oder allein, und sie kommen inzwischen aus der ganzen Welt: Eritreer, Syrer, "Russen sowieso", Polen, Türken, Menschen vom Balkan - Luzia Scharf muss bei ihrer Aufzählung nicht lange nachdenken. Im Kinderbücherregal ist ein kleines Eckchen für fremdsprachige Titel reserviert. Englische und französische selbstverständlich, aber auch türkische - zweisprachig ("Der bärtige Greis"). Die russischen sind in kyrillischer Schrift gedruckt und daher nur für Muttersprachler lesbar. Oft sind es Menschen, die aus diesem Sprachraum stammen und nun ihre Kinder wieder an "ihre" Sprache heranführen möchten, erklärt die Bibliothekarin.
Treffsicher und fast wie im Vorbeigehen greift sich ein junges Mädchen einen Titel mit - Mädchengeschichten? Abenteuern? Schullektüre? - aus dem Regal und steuert damit einen der Sitzplätze entlang der Fensterfront an, von wo aus man einen wundervollen Ausblick auf den Neckar genießt. Ein Vater hat sich mit seiner kleinen Tochter an einem Kindertischchen niedergelassen und blättert mit ihr im Bilderbuch. Bei Sieglinde Peischl türmen sich inzwischen die zurückgebrachten Bücher. Drei Jungs in Anoraks haben zentnerschwere Stofftaschen vor ihr ausgepackt, aus der Tiefe ihres Einkaufskorbs fördert ein Mädel mit Pudelmütze ihren Lesestoff empor. Telefon. Jemand möchte die Ausleihfrist seiner Bücher verlängern. Die kleine Schlange wartet geduldig.
Die meisten Besucher kommen um 15 Uhr hierher, sagt Luzia Scharf. Ein weiterer Schwung dann gegen 16.30 Uhr: "Schüler sind dabei, Berufstätige...". Allerdings ist das längst nicht jeden Tag so. Regen fördert den Betrieb, aber nicht zu viel, im Sommer darf’s nicht zu heiß sein. Überhaupt, lacht Scharf, "ich weiß manchmal nicht, warum gerade niemand kommt, oder warum es so viele sind: Das ist unberechenbar!". Im Sommer finden oft Urlauber den Weg in die Stadtbücherei, auf der Suche nach einer Auskunft aus dem Internet, oder weil sie ihre Mails checken wollen.
Hinten am Videoregal blättert ein Mann im Kapuzenshirt interessiert die Filmtitel durch. Ein Junge mit VfB-Rucksack macht sich am PC über irgendwas schlau. Während im Bibliothekssaal reger Betrieb herrscht, muss die Bibliothekarin nebenan aber auch Schreibkram erledigen. Bücherkauf, Rechnungen, Lieferkontrolle, Bestellungen schreiben. Neuanschaffungen werden über die Einkaufszentrale für öffentliche Bibliotheken (ekz) bezogen, die Scharf jede Woche neue Titel vorschlägt - Romane, Sachbücher, Kinderbücher querbeet. Bei wöchentlichen 200 bis 300 Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt sei so eine Vorauswahl unverzichtbar, sagt Scharf.
Und dann ist die Bibliothekarin natürlich auch zwischen den Regalen immer wieder gefragt. "Schüler brauchen vielleicht was fürs Abi, für ein Referat oder eine Präsentation" und wenden sich an sie. Oder jemand will wissen, was es Neues gibt im Bestand. Oder eine passionierte Krimileserin hat jetzt genug von Autor X und bittet Scharf um eine Neuempfehlung. Die kriegt sie dann auch prompt, "wir kennen ja unsere Leser!".