Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach. Eberbach liegt ihnen zu Füßen, ungehindert schweift der Blick über Odenwaldhöhen und Neckartal: Für Helen Jung und Heiner Staubitz ist ihr 46-Quadratmeter-Balkon in luftiger Höhe ein Traum, den sie seit nunmehr 13 Jahren leben.
Helen Jung stammt ursprünglich aus Neckarelz, verbrachte mehrere Jahre im Ausland, lebte dann in Eschborn bei Frankfurt, wo sie als OP-Schwester arbeitete. Als Mitglied des Zwingenberger Motoryachtclubs zog es sie an vielen Wochenenden ins Neckartal: "Meine Cousine hatte da ein Boot." Nach dem Tod ihres Ehemannes lernte sie dort auch Heiner Staubitz kennen, beide waren im Vorstand des Vereins aktiv. 1999 wurden sie ein Paar.
Staubitz ist bekennender "Wassermensch". Er stammt aus einer Haßmersheimer Schifferfamilie, verbrachte seine ersten Lebensjahre auf dem Rhein-Schiff der Eltern und heuerte nach Ende der Schulzeit als Schiffsjunge dort an. Als das Schiff 1972 verkauft werden musste, ging Staubitz - mit 19 Schifferpatenten im Gepäck - über den Umweg der Bereitschaftspolizei zur Wasserschutzpolizei. Bis zur Schließung des Postens 2003 war er in Eberbach tätig, danach weitere fünf Jahre in Heidelberg. Irgendwann zog Heiner Staubitz zu Helen Jung nach Eschborn. Und jedes Wochenende fuhren die beiden zur ihrem Yachtclub nach Zwingenberg.
Als Jung 2005 in Rente ging, beschloss man, sich ein Domizil in der Nähe des Clubs zu suchen. Durch Zufall erfuhren sie, dass eine Wohnung im Hochhaus am Ortseingang von Eberbach zum Verkauf stand. Schon lange davor hatte die weiße Keramikkatze am Balkongeländer die Blicke der Katzenfreundin beim Vorbeifahren auf sich gezogen. Doch Helen Jung fand das Gebäude hässlich, dort wohnen zu wollen, wäre ihr nicht in den Sinn gekommen. Trotzdem schaute man sich die Sache an, und "wir waren begeistert", erinnern sich die beiden. "Und dann der riesige Balkon - es war Liebe auf den ersten Blick." Helen Jung kaufte die Wohnung und hat den Beschluss bis heute nicht bereut.
"Der Balkon ist einfach genial, da kann keiner reinschauen. Bei uns ist alles offen", sagt sie. Eberbach auf der einen Seite, Neckarwimmersbach, die Au, das Schwimmbad auf der anderen: "Beim Feuerwerk am Kuckucksmarkt sitzen wir hier in der ersten Reihe", schwärmt Heiner Staubitz. Und dass er den Neckar sehen und die Schiffe beobachten kann, die er zum Teil "noch von früher" kennt, bedeutet ihm viel. Aber nicht nur der fantastische Blick ist schuld, dass Staubitz und Jung den Sommer über die meiste Zeit auf dem Balkon verbringen, wenn sie nicht gerade in ihrer Bootsfahrschule beim Eberbacher Schifferverein zu tun haben. "Das hier ist wie Urlaub", finden sie.
Teakholz-Platten auf dem Boden verführen zum Barfußlaufen. Markisen und ein Sonnenschirm spenden Schatten, wenn die Sonne von morgens bis abends den lauschigen Platz mit Licht und Wärme verwöhnt. Umgeben von Blumen und Büschen in Balkonkästen und Kübeln, allerlei buntem Deko-Zierrat und dem Modell eines alten Schiffsentladekrans, den Staubitz‘ Vater einst baute, lädt eine gemütliche Sitzecke zum Verweilen, zum Essen, zum Plaudern ein. Für die Mittagsruhe stehen zwei bequeme Liegen bereit. Dort wird gelesen, ein Nickerchen gehalten.
Der Lärm des nicht enden wollenden Verkehrsstroms auf der Bundesstraße unter ihnen stört die beiden dabei schon längst nicht mehr: "Daran haben wir uns gewöhnt, den hören wir gar nicht mehr."
Und dann sind da noch zwei absolute Highlights, die die Dachterrasse einzigartig machen: Zum einen der offene Kamin, der es dem Paar erlaubt, auch an kühlen Sommerabenden oder im Herbst Freiluft zu schnuppern. Und der Whirlpool. Jeden zweiten Tag wird er benutzt: "Das ist sehr angenehm, wenn man im warmen Wasser sitzt und den Blick in die Umgebung genießt", schwärmt Staubitz. Wer möchte das bezweifeln!
"Wir waren auf der Garten-Messe in Sinsheim und suchten eigentlich eine Porzellanpflanze als Deko für unseren Balkon", berichtet Helen Jung. "Die fanden wir nicht. Dafür kamen wir mit dem Whirlpool zurück." Das heißt, er wurde bestellt, nachdem man sich zunächst noch geschwind nach der Statik des Balkons erkundigt hatte.
Muss man bei solch einer Wohlfühl-Oase überhaupt noch in den Urlaub fahren? "So hin und wieder schon", bekennen die beiden. Dann befahren sie - als echte "Wassermenschen" - mit dem eigenen Boot Deutschlands Flüsse. Oder gönnen sich gar ein paar Tage Kreuzfahrt - auf dem ganz großen Wasser in einem ganz großen Pott.