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Schmeißer-Stift Eberbach: Bürgermeister Reichert gibt Vorsitz im Altersheim-Verein auf

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Von Rainer Hofmeyer

Eberbach. Ein Brief von Peter Reichert - als Vorsitzender des Vereins Stiftung Altersheim e.V., als Mitglied des Vorstandes, als Privatmann. Es ist ein Rücktrittschreiben, am Mittwochabend übergeben. Gerichtet an die übrigen Vorstandkollegen, gedacht auch für alle Mitglieder der gemeinnützigen Organisation. Damit zieht Reichert offensichtlich die Konsequenzen aus den ablehnenden Entscheidungen des Gemeinderates, zuletzt vom Montag: Reichert sieht im Gremium keinen Rückhalt, keine Unterstützung mehr für die Belange des Vereins, für das Dr.-Schmeißer-Stift und das Pflegeheim „Lebensrad“.

Seinen Schritt beeinflusst hat Reichert wohl auch, dass er sich als Bürgermeister und gleichzeitig im Vereinsvorstand wegen formaler Befangenheit nicht in Diskussionen und Entscheidungen des Gemeinderats einbringen darf.

Bereits in einer Sitzung im Oktober hatte das Gremium mehrheitlich die Bürgschaft für ein zinsgünstiges Darlehen zu kommunalen Konditionen abgelehnt, gegen das Votum Reicherts. Als Alternative stand schon damals nur ein Zuschuss zur Diskussion, am Montag wurde darüber diskutiert. Lediglich 20 000 Euro pro Jahr bis Ende der zehnjährigen Zinsbindung kamen mehrheitlich heraus. Und auch nur, soweit beim Betreuten Wohnen im Dr.-Schmeißer-Stift Defizite entstünden. Selbst eine Umwandlung des 1962 gegründeten eingetragenen Vereins in eine gemeinnützige GmbH wurde gefordert, wie schon vor sechs Jahren einmal. Reichert war nach der Gemeindeordnung bei der Sitzung aus dem Rat ausgeschlossen. Noch nicht einmal in der Funktion des Vorsitzenden konnte er wenigstens für den Verein vortragen.

Ebenfalls in der Gemeinderatsitzung am Montag wurde über eine neue Bürgschaft für ein Darlehen des Pflegeheims “Lebensrad” beraten. Die Mehrheit sprach sich auch hier gegen die Übernahme der Sicherheit aus. Mit den Entscheidungen hat der Gemeinderat weitestgehend die bisherige, traditionelle Sorge für den Verein aufgegeben.

Die Verbindung Verein-Stadt war jahrzehntelang intensiv, genauer gesagt seit 1962, dem Jahr des Aufbaus der „Stiftung“. Seit Anbeginn war der jeweilige Bürgermeister per Vereinssatzung und Gemeinderatsentscheidung automatisch Vereinsvorsitzender in einer Person. Schon bei der Amtsübernahme Horst Schlesingers von seinem Vorgänger Dr. Hermann Schmeißer ist der Vereinsposten gewechselt, mit einer kurzen Überlappungszeit. Ein Wechsel folgte auch mit der Amtsübernahme durch den neuen Bürgermeister Bernhard Martin.

Peter Reichert trat die Ämter 2013 an. Damit hatte er auch die Last eines seit Jahren leerstehenden Dr.-Schmeißer-Stifts von seinem Vorgänger übernommen und die drängende Frage, wie es mit dem immer mehr vernachlässigten Bau weitergehen soll. Während des Bürgermeister-Wahlkampfes 2012 organisierte sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Schmeißer-Stifts - „BISS“. Die Diskussion um das Gebäude bestimmte den Wahlkampf und zu großen Teilen auch sein Ergebnis. Die Sorge, das Altersheim aufzugeben, abzureißen oder zu verkaufen, brachte einen erstaunlichen Zulauf an Vereinsmitgliedern.

Die Verknüpfungen zwischen dem Stiftungs-Verein und der Stadt sollten bereits vor Jahren gekappt werden, der Bürgermeister nicht mehr mit Amtsübernahme auch Vorsitzender des Vereins. Im Januar 2012 hatte der Gemeinderat noch unter Bürgermeister Bernhard Martin beschlossen, auch nach der Entflechtung könne er sich grundsätzlich eine weitere Unterstützung für "Betreutes Wohnen" und für ein Pflegeheim vorstellen. Die Trennung von Amt und Vorsitz wurde dann in Reicherts Amtszeit vollzogen. Im November 2013 änderte der inzwischen auf über 500 Mitglieder angewachsene Altersheim-Verein die Satzung entsprechend. Peter Reichert hat sich dann als Privatmann für die Vereinsführung bereiterklärt.

Die Initiative zum Bau eines Altersheimes ging in den 1960er-Jahren von Bürgermeister Schmeißer und seinem Gemeinderat aus. Auch die weiteren Protagonisten der Vereinsgründung waren Eberbacher Bürgerinnen und Bürger mit stadtpolitischen und sozialen Ambitionen. Die Sorge für die Älteren wurde als bindend gemeinschaftliche Aufgabe der ganzen Bürgerschaft gesehen - „Auch Du wirst einmal alt“. Entsprechend trugen die Eberbacher, von Jung bis Alt, ihr Scherflein zum finanziellen Grundstock des Dr.-Schmeißer-Stifts bei.

Die Beschlüsse der Gemeinderatssitzung am letzten Montag, so Reichert in seinem Rücktrittsbrief, hätten jedoch gezeigt, dass die ursprüngliche Verpflichtung der Stadtgemeinde für die Alten nicht mehr gesehen würde. Der Verein habe inzwischen „nur einen äußerst geringen Rückhalt im Gemeinderat“. Die „überwiegende Mehrheit der Räte“ sehe keine Verantwortung mehr seitens der Stadt für Stift und Pflegeheim.

Bürgermeister Peter Reichert hat am Mittwochabend unter anderem seine Vorstandskollegen Fedor Grißtede, Prof. Gerhard Rohr, Heiko Stumpf und Hans Wipfler zu einer außerordentlichen Sitzung eingeladen, ihnen das Mitgliederschreiben ausgehändigt. Reichert verlässt damit den fünfköpfigen Vorstand.

Mit einem Argument will Reichert offensichtlich punkten und die möglicherweise von seinem Rücktritt „überraschten“ Mitglieder besänftigen: Nach der Aufgabe des Vorstandspostens sei er in den Diskussionen nicht mehr formal befangen und aus dem Gemeinderat ausgeschlossen. Künftig könne er sich aktiv mit seinen Argumenten „zum Wohle der Sache“ einbringen. Das heißt: Bürgermeister Peter Reichert als Gemeinderatsvorsitzender könnte seinen Nachfolger in dessen rein privaten Amt als Vereinsvorsitzender unterstützen - mit einer Stimme, die dann auch formal zählt.


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