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Jakob Neufeld: Der stärkste Mann Eberbachs

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Von Roland Karle

Eberbach. Das soll der stärkste Mann Eberbachs sein, dieser schlanke, filigrane, mittelgroße Typ mit den dunklen Haaren und dem gestutzten Bart? Wer Jakob Neufeld nicht kennt, würde die Frage nach seiner Lieblingssportart, die er die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens hauptberuflich ausgeübt hat, wohl falsch beantworten. Dabei hat er zu seiner besten Zeit, Mitte bis Ende 20, nahezu das Zweieinhalbfache seines Körpergewichts vom Boden weg in die Horizontale gestoßen. Exakt 183 Kilo waren es, die der knapp 77 Kilo schwere Athlet im November 2011 bei der Weltmeisterschaft in Paris in die Höhe hievte.

Vor zweieinhalb Jahren hat Neufeld seine Karriere als Berufssportler beendet. Mit klarem Ziel für die Zeit danach, ohne Wehmut, auch wenn sich sein Traum von Olympia nicht erfüllt hat. Ein paar Mal war er nahe dran in den zwölf Jahren, die er dem Bundeskader der deutschen Gewichtheber angehörte. 2012 zum Beispiel, als er einer von fünf Athleten war, die im entscheidenden Qualifikationsturnier um drei Tickets für London kämpften. Vier Jahre später probierte es der Nationalheber erneut, aber durch eine langwierige Verletzung hatte er den Anschluss verloren.

Jakob Neufeld hadert nicht lange mit der Realität, er akzeptiert sie. "Schade, ich wäre natürlich gerne bei Olympischen Spielen gestartet", gesteht er. Aber wichtiger ist ihm, "dass ich alles versucht habe und mir nichts vorwerfen kann." Seine Bilanz im Leistungssport fällt auch so bemerkenswert aus. Neufeld nahm an vier Weltmeisterschaften teil: 2010 in Antalya/Türkei, 2011 in Paris, 2013 in Wroclaw/Polen und ein Jahr später in Almaty/Kasachstan. Der elfte Rang in Polen war seine beste WM-Platzierung, das höchste Zweikampfergebnis schaffte er 2011 in Paris mit 331 Kilo. Bei der Europameisterschaft 2012 in Antalya wurde er mit 332 Kilo Neunter, ein Jahr zuvor hatte er im russischen Kasan den sechsten Rang belegt (322 kg). Das alles ist noch gar nicht lange her, aber fühlt sich schon weit weg an.

Ist ja auch viel passiert in den vergangenen Jahren: Jakob Neufeld wurde Vater, er hat seine Isabel geheiratet und ist mit seiner kleinen Familie nach Pleutersbach gezogen. Gemessen an den Lebenskoordinaten war das geografisch eine fast logische Wahl: Seine Frau stammt aus Michelstadt, beim SV Obrigheim ist Neufeld weiterhin als Bundesliga-Gewichtheber aktiv und an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg studiert er. Mittlerweile hat der 35-Jährige das fünfte Semester erreicht und kommt seinem Berufsziel Grundschullehrer für Mathematik und Sport näher. Derzeit absolviert er ein Studienpraktikum an der Neuberg-Grundschule in Dossenheim. "Da lerne ich meinen künftigen Berufsalltag so richtig kennen", sagt Neufeld.

Mit Anfang 20 hatte er sich schon mal für ein Sport- und Biologiestudium eingeschrieben, das er jedoch abbrach, um sich im Leistungszentrum in Leimen voll dem Gewichtheben zu widmen. Sein Vorhaben, später als Lehrer zu arbeiten, verlor er nie aus den Augen - und hat den Weg zurück an die Uni noch keine Sekunde bereut. "Das war genau die richtige Entscheidung. Studieren und Unterrichten ist zwar sehr anstrengend, aber es macht riesigen Spaß mit den Kleinen, das ist mein Ding." Und Neufeld spart nicht mit Lob für seine erfahrenen Kollegen: "Ich ziehe den Hut vor jedem Lehrer, für mich sind das Leistungssportler."

Apropos Sport: Dem Gewichtheben und dem SV Obrigheim bleibt Jakob Neufeld treu. "Ohne Gewichtheben, das geht für mich gar nicht, auch wenn durch Studium, Unterricht und Familie die Zeit fürs Training oft knapp ist", sagt er. Lust und Ehrgeiz haben nicht nachgelassen, in Obrigheim fühlt sich Neufeld sportlich zu Hause. Als erfahrene Stammkraft trägt er wesentlich dazu bei, dass der dreimalige deutsche Mannschaftsmeister (2003, 2008, 2013) aus dem Neckar-Odenwald-Kreis zu den Top-Teams der Republik gehört.

"Ich will hier solange heben, wie ich das gesund und auf ordentlichem Niveau leisten kann. Jeder Wettkampf macht mir Freude, ganz besonders in der Neckarhalle vor unserem fantastischen Publikum."

Unter die Zuschauer mischen sich seit geraumer Zeit auch Pleutersbacher, die ihren Nachbarn und Bekannten Jakob Neufeld in Aktion erleben wollen. Im Eberbacher Ortsteil hat sich der angehende Lehrer von der ersten Minute an wohlgefühlt. "Wer uns das erste Mal besucht und den Ort nicht kennt, sagt oft: ,Ihr habt es hier ja wie im Urlaub‘", erzählt er. Sohn Jascha, inzwischen drei Jahre alt, geht mit seinem Papa gerne auf Entdeckungstour. Einer seiner Lieblingsplätze ist die Rockenauer Schleuse. Oft sind sie schon dorthin gefahren und haben viele Stunden am Neckar verbracht. "Jascha liebt das", berichtet Vater Jakob, "er kann sich kaum satt sehen". Wie es aussieht, werden die Neufelds - im April steht erneut Nachwuchs ins Haus - in Pleutersbach tiefe Wurzeln schlagen. "Ich wüsste für uns keinen besseren Ort zum Leben", sagt Neufeld.


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