Von Martina Birkelbach
Eberbach. Volker Hempel ist sehr zufrieden: "Mir war klar, dass Eberbach nicht von einem Tag auf den anderen voll behindertengerecht gestaltet werden kann. Aber es tut sich was - das freut mich." Wildes Parken auf Bürgersteigen, schwierig zu bewältigende Toilettenbesuche, eine schwer zu öffnende Rathaustür und ein Absatz vom Bürgersteig zur Straße: Als Rollstuhlfahrer hat man im Stauferstädtchen mit einigen Hindernissen zu kämpfen.
Vor etwas über einem Jahr hat Hempel über seine Probleme berichtet, die natürlich teilweise auch andere Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollatoren oder Kinderwagen betreffen. Der inzwischen 60-Jährige wurde auf den Artikel vom November 2017 "sehr oft" angesprochen und Stadtrat Klaus Eiermann (SPD) hakte damals im Gemeinderat nach.
Ein Jahr danach hat sich einiges getan. Die Stadt hat bereits einige mit dem Rollstuhl schwer zu bewältigende Stellen ausgebessert und prüft noch andere Hindernisse.
Das damals beanstandete "wilde Parken" an der Ecke Odenwaldstraße (von der Güterbahnhofstraße aus) sowie gegenüber der Dach- und Holzbaufirma Müller wird laut dem Leiter des Stadtbauamts Steffen Koch vom Gemeindevollzugsdienst verstärkt beobachtet. Er bittet aber auch darum, "wilde Parker" sofort dem Ordnungsamt zu melden. Für Hempel ist es schwer, an den teilweise auf dem Bürgersteig parkenden Autos vorbeizukommen. "Ich muss immer aufpassen, dass ich da nicht hängen bleibe."
Beim nächsten Problem, den nötigen Toilettengängen in der Innenstadt, soll sich schon bald etwas ändern. Vorerst wurde laut Koch die Haupteingangstür am Rathaus so eingestellt, dass sie auch mit nur einer Hand leichter zu öffnen ist. So ist es für Hempel schon einfacher, die dortige Toilette zu nutzen. Noch "im Laufe dieses Jahres" ist eine elektrische Tür geplant.
"Immer wieder Kritik" gibt es laut dem Stadtbaumeister an den öffentlichen Bahnhofstoiletten. Dort plant man nun ein elektrisch zu öffnendes Toilettenhäuschen "als komplette Einheit, eventuell auch mit einer elektrischen Reinigungsfunktion". Diese Ersatzlösung soll, laut Koch auch auf besonderen Wunsch von Bürgermeister Peter Reichert, "konkret noch in diesem Jahr angegangen werden". Wie Koch erklärt, ist die Stadt für die Toilettenanlage zuständig, ob die Bahn sich an den Kosten beteiligt, "ist fraglich".
Bei den von Hempel als "Katastrophe" bezeichneten Toiletten in der Dr.-Weiß-Schule hat die Stadt immer wieder mit Vandalismus zu kämpfen. "Das kann nicht ständig überprüft werden", so Koch. Man werde die Anlage aber "im Auge behalten" und plane "in den nächsten Jahren" eine Erneuerung. Bis dahin soll die Schwelle im Eingangsbereich bodengleich angepasst werden, sodass Rollstuhlfahrer reinkommen, ohne auf dem Absatz hängen zu bleiben.
Auf Hempels Tipp hin will der Stadtbaumeister auch abklären, ob dort eine Toilette behindertengerecht ausgestattet werden kann. Dafür könnten dann auch die speziellen Schlüssel, die über das Versorgungsamt Darmstadt bezogen werden, verwendet werden.
Eine größere Maßnahme wird laut Stadtbaumeister die Angleichung der mit dem elektrischen Rollstuhl schwierig zu bewältigenden Bordsteine an der Ampelkreuzung in der Friedrichstraße. Die Höhendifferenz von drei Zentimetern am bestehenden Übergang ergeben sich aus dem Kompromiss zwischen den Erfordernissen der Sehbehinderten, sich nach ertastbaren Elementen zu richten, und denen der Rollstuhlfahrer, möglichst ohne Höhendifferenz den Straßenraum zu befahren.
Das Stadtbauamt prüft nun Varianten, die Geh- und Sehbehinderten gleichermaßen gerecht werden. "Wenn wir den kompletten Kreuzungsbereich umgestalten oder den Bordstein absenken, dann muss es auch Blindenleitstreifen (weiße Platten mit Rillen) für Sehbehinderte geben", so Koch. Die Kosten für die Umgestaltung des vollständigen Kreuzungsbereichs würden rund 40.000 Euro betragen. Das Thema soll im
Bauausschuss besprochen werden und Koch will anregen, dass im kommenden Jahr Haushaltsmittel dafür zur Verfügung gestellt werden.
Grundsätzlich, erläutert der Stadtbaumeister, gelte es auch immer die Wasserführung zu gewährleisten. Deshalb sei es auch technisch schwierig, etwa an der Ecke Zwingerstraße/Blauer Hut den Gehweg abzusenken. Da die Stelle dort aber stark von Fußgängern belaufen sei, werde man die Vor- und Nachteile dort in diesem Jahr noch prüfen. Der Bereich wurde von Hempel bei einem "internen" Treffen mit Koch und Leander Schmitt von der Tiefbauabteilung im vergangenen Februar angesprochen.
Ebenso ging es dabei um den schlecht mit dem Rollstuhl zu befahrenden Gehweg in der Schulstraße/Bahnhofstraße (Volksbank). Von einer sogenannten "Nullabsenkung" der Bordsteine beim Gehweg wird dort allerdings bereits jetzt abgesehen, da sich Pfützen bilden können, die im Winter die Glättegefahr erhöhen. Ein Umbau würde laut Bauamt keine hinreichende Verbesserung der Situation bringen.
Der Stadtbaumeister teilt außerdem mit, dass an etlichen Stellen im Altstadtbereich, wie etwa in der Oberen Badstraße beim "Krabbenstein" das unebene Pflaster vom Bauhof ausgebessert wurde. Dort kann Hempel mit dem Elektrorollstuhl jetzt "viel besser" langfahren. Langfristig sollten laut Bauamt die Natursteinflächen im innerstädtischen Bereich nur in begrenztem Maße eingesetzt werden, sodass die barrierearme Nutzung der Flächen verbessert werden kann. Koch bittet darum, "weitere Auffälligkeiten einfach zu melden". Die Stadt werde sich dann "kurz- oder mittelfristig" darum kümmern. Bei höheren Ausgaben sei natürlich die Freigabe des Bauausschusses nötig.
Hempel ist froh, dass die Stadt etwas tut, dass seine Anregungen ernst genommen werden. Zwei Schlaganfälle, Gehirnblutungen, drei Operationen am Kopf und drei Monate im Koma an einer Herz-Lungen-Maschine: Seit 2006 ist der ehemalige Friseurmeister halbseitig gelähmt und sitzt im elektrischen Rollstuhl.
Er wohnt im "Lebensrad" und ist fast täglich in der Stadt unterwegs. "Ich habe so viel mitgemacht, heute genieße ich jeden Tag. Es tut mir gut, unterwegs zu sein und immer wieder neue Leute kennenzulernen", sagte er damals - und das alles gilt auch heute noch.
Und wenn es bald noch ein paar Hindernisse weniger gibt, ist nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen geholfen.