Von Jutta Biener-Drews
Eberbach. Dürfen die als Hartz IV bekannten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II gekürzt werden, wenn der Empfänger seine gesetzlichen Pflichten verletzt hat? Und verträgt sich die Sanktionspraxis mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum?
Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit das Bundesverfassungsgericht. Wer Arbeitslosengeld bezieht, so lautet die zugrunde liegende Regel, muss aktiv daran mitwirken, wieder in Arbeit zu kommen. Bei Verstößen gegen dieses Fördern-und-Fordern-Prinzip gibt es weniger Geld - bis hin zur, im Wiederholungsfalle, vollständigen Streichung der Zahlungen. Ein Hartz-IV-Bezieher bekommt dann unter Umständen drei Monate lang nur noch Wohngeld und Zuschläge.
Auch in Eberbach ist das ein Thema. Wenn auch, wie unsere Anfragen in der Arbeitsagentur Heidelberg und im Diakonischen Werk am Ort ergaben, in geringem Maße. Nach Angaben des Pressesprechers der Arbeitsagentur Andreas Kapp sind gegenwärtig an die zwanzig Personen im hiesigen Arbeitsamtsbezirk von Leistungskürzungen betroffen. Das sind drei Prozent der Hartz-IV-Empfänger vor Ort.
In der Obhut des Diakonischen Werks befinden sich momentan überhaupt keine Klienten mit Sanktionen, sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Konnerth. Und dies sei auch in den letzten zwei Jahren so gewesen.
Davor sei das Problem im Umfeld seines Sozialverbands höchstens einmal im Jahr aufgetreten, erinnert er sich. Meist aufgrund unentschuldigter Meldeversäumnisse, die bei über 25-Jährigen mit einem zehnprozentigen Abschlag geahndet werden.
Konnerth führt die gute Quote allerdings auch auf eigenes Zutun zurück: "Weil wir Termine und Fristen unserer Klienten verwalten und somit dafür sorgen, dass Versäumnisse nicht eintreten".
Dass Leistungskürzungen im Sinne des Gesetzgebers die Bereitschaft der Arbeitslosen zur Kooperation steigern und die Beendigung ihrer Arbeitslosigkeit beschleunigen, dazu gibt es unterschiedliche Erkenntnisse. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat nachgewiesen, dass bei jungen Menschen unter 25 mit guten Eingliederungschancen Sanktionen günstig wirken und sie schneller eine Beschäftigung aufnehmen. Vorausgesetzt, es wird nicht zu drastisch gekürzt.
Wer Hilfe beim Diakonischen Werk sucht, hat Konnerth erfahren, strebe allein schon durch diesen Schritt eine Mitwirkung an. Wer dann Leistung womöglich gekürzt bekommt, sei eher frustriert und deprimiert, weil die Angst, etwas falsch zu machen, ohnehin groß sei.
"Aus unserer Erfahrung werden durch verhängte Sanktionen in den seltensten Fällen Verhaltensänderungen begünstigt". Das gelte andersrum auch für Menschen, die solche Maßnahmen überhaupt nicht beeindrucken. Kürzungen unters Existenzminimum lehnt Konnerth in jedem Falle ab. "Die Konsequenzen können viel weitreichender sein, als man meint", verweist er auf Bedarfsgemeinschaften etwa mit Kindern und Ehegatten, die durch das Fehlverhalten eines Einzelnen womöglich von der Energieversorgung abgeschnitten werden.
Nach Darstellung des Sprechers der Arbeitsagentur gibt es da allerdings einen Puffer: werde einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft die Leistung gekürzt, würden die der anderen entsprechend erhöht, sagt Andreas Kapp.
Dass Jobcenter und Diakonisches Werk in Eberbach an einem Strang ziehen und auf verschiedenen Ebenen ständig miteinander kommunizieren, hebt Konnerth ebenso positiv hervor wie Kapp. In gemeinsamen Treffen mindestens zweimal im Jahr würden Schwierigkeiten und grundsätzliche Problemfälle erörtert und nach Lösungen gesucht. Konnerth: "Diese Gespräche waren in den letzten sechs bis acht Jahren sehr fruchtbar".
Überhaupt Kommunikation. Andreas Kapp appelliert an jeden Hartz-IV-Empfänger, die Verbindung zum Jobcenter nie abreißen zu lassen und unbedingt mit den Vermittlern zusammenzuarbeiten - auf welchem Weg auch immer. Denn Geld gekürzt werde nur dann, wenn der Empfänger durch sein Verhalten keine Wahl lasse: "Wenn der Polizist einen bei Rot über die Ampel fahren sieht, kann er auch nicht die Augen verschließen."