Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach. Kürtöeskalács sind nur ein Teil des Problems, ein kleiner, aber er kann durchaus ins Gewicht fallen. Die ungarischen Hefe-Striezel haben Sucht-Potenzial, meint Bäcker Zoltán Urbán. Dünne Streifen aus Hefeteig werden über einen Metallzylinder gewickelt (im ungarischen Original sind es lange Holzstücke) und über offenem Feuer gebacken. Wie Stockbrot? "Stockbrot ist Bezirksliga, Striezel sind Champions", sagt Zoltán, dazwischen liegen Geschmacks-Welten.
Man isst sie lauwarm mit flüssiger Butter, Zucker und Zimt, Nüssen oder Mohn. Auf Sprachbewahrer und Figurbewusste dürften schwere Zeiten zukommen.
Die ersten Food Days in Eberbach waren, man muss es so sagen: der Knaller. Schon am Freitag, kurz nach dem Start um 17 Uhr waren Bahnhofstraße und Neuer Markt belebt wie sonst nur selten.
Die Besucher schlenderten zwischen den Verkaufsständen, snackten sich durchs Angebot. Spieß vom Holzkohlengrill, Burger für echte Kerle und mit Männermarmelade, Churros, "pulled pork" hat sich anscheinend zum Verkaufsschlager entwickelt.
Ein frisches Bier, ein Glas Grauburgunder, Shrimps und Sekt, an den langen Tischen kommt man locker ins Gespräch, die Musik ist angenehm gedimmt.
Das Publikum hätte ein Werbefilm-Scout nicht besser zusammengestellt: Alles scheint vertreten, alle Altersgruppen vom Kind bis zur Omi, die Kleidung leger, bunt, gepflegt, wie es sich wohl grade ergab, viele sind offenbar direkt von der Arbeit gekommen.
Es ist ein fröhliches und egalitäres Miteinander und Durcheinander, Urlaubs-Feeling. Ok, nennen wir es Stimmung. Aber Streetfood heißt nun einmal so und ist sehr viel mehr und sehr anders als Bockwurst und Butterbrezel auf die Hand. In vielen Ländern gehört die schnelle Mahlzeit von der Straße zum Alltag. Hierzulande fehlt mit dem Angebot auch der Begriff. Aber ganz offenkundig nicht der Wunsch danach - Streetfood-Festivals boomen.
"Man muss auch mal was Anderes probieren", meint eine ältere Dame, das Andere ist in diesem Fall ein Pastrami-Sandwich, die gepökelte und geräucherte Rinderbrust ist in den USA ein Klassiker, hier aber selten im Angebot.
"Was Anderes" kann auch mal vegane Kost für eingefleischte Fleisch-Esser sein, nicht als ideologisches Konzept, sondern einfach als exotische Spezialität: syrische Falafel gibt es in vielen Varianten. Kochbananen in Sesamsauce und frittierte Maniokwurzel aus der ugandischen Küche eröffnen völlig neue Geschmackswelten, indonesische Jackfruit ist süßes Dessert, unreif geerntet aber schmeckt sie ähnlich wie Hühnerfleisch. Ziemlich fleischlastig ist dagegen der Stand mit Spezialitäten aus Österreich und Südtirol. Salami von Gams und Biber ("den könnten sie bei uns im Garten schießen" schlägt eine Kundin vor), Speck von Schweinen, die laut Deklaration auf Südtiroler Almen gelebt haben.
Die Knoblauch-Variante ist was für Liebhaber, die Geschmacksintensität lässt sich steuern: je nachdem, wie dick man den Rand schneidet, sagt Verkäufer Jürgen Marek. Er hat auch feines Olivenöl im Angebot ("probieren Sie gerne"), Schweizer Käse aus dem Kanton Uri, glutenfreien Bergkäse und Elchfleisch aus Norwegen.
Markus Ridder stammt aus Nordrhein-Westfalen, dort kennt man Poffertjes, die fluffigen Mini-Pfannkuchen. Jetzt lebt er in Augsburg und macht die Spezialität aus den Niederlanden in Süddeutschland bekannt, mit Toppings wie aus einem Kindertraum: mit Nutella, Smarties oder Kinderschokolade, mit Sahne und Erdbeeren, die Erwachsenen-Version bietet Eierlikör, Amaretto und Baileys.
Es war eine Idee der Stadtverwaltung, einen Food-Day mit dem bereits erfolgreichen Duo Ostermarkt (organisiert vom Lions-Club) und dem verkaufsoffenen Sonntag der Eberbacher Werbegemeinschaft zu verbinden.
Wieder einmal zeigt sich, dass das Ganze mehr ist als die Summe der Teile. Die Angebote verstärken wechselseitig ihre Anziehungskraft, das Info-Angebot im Sanierungsmobil (siehe eigenen Beitrag unten) passt mit ins Konzept.
Das ist durchaus attraktiv für Besucher von auswärts. Dabei können sie sehen: Ein Besuch in Eberbach lohnt sich auch sonst, hofft Dietrich Müller, der Vorsitzende der Eberbacher Werbegemeinschaft (EWG). Er ist zufrieden mit der "gigantischen Veranstaltung, deren Erfolg die Erwartungen übertroffen hat". Es werde sicher nicht die letzte dieser Art gewesen sein.