Von Felix Hüll
Hirschhorn. Schlaff hängt die blaue Fahne mit dem gelben Sternenkranz am grauen Mast vor der Neckartalschule neben Hessens Landesbanner und der Bundesflagge - menschenleer ist der Schulhof, nur auffällig steht ein blauer Dreiecksständer zwischen Treppenaufgang, Auffahrtsrampe und Eingang zum Wahllokal: die AfD hat hier ein Wahlplakat stehen: "Die dürfen das - genau 20 Meter Entfernung vor einem Wahllokal ist die Grenze. Wir haben das extra nachgemessen," erklären Martin Hölz und Karlheinz Happes, die gerade ihre Übergabe im Wahlvorstand des Hirschhorner Bezirkes "2/Schule" vornehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist es tatsächlich ruhig; knapp ein Fünftel der Wahlberechtigten hat das Kreuz bislang gemacht. "Natürlich gehen wir wählen, das machen wir," sagt Isolde Heinzl aus Ersheim und bestätigt damit, dass die, die in Hirschhorn zur Wahlurne kommen, sich ganz bewusst aufgemacht haben. Im Gegensatz zu den Nachbarkommunen wie Heddesbach, Schönbrunn oder Eberbach gibt es in Hirschhorn keine Kommunalwahl - lediglich der Wahlzettel mit den Bewerberlisten fürs europäische Parlament kann angekreuzt und in die Urne geworfen werden.
"Jetzt wo alle an der EU sägen, ist es doch wichtig, seine Stimme abzugeben" meint Wähler Harald Herrmann. Und ein 54-Jähriger, der seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen möchte, ergänzt: "man weiß ja um die Bedeutung dieser Wahl für ein zusammenwachsendes Europa." Ob das in seinem Bekanntenkreis auch so gesehen werde? "Es ist schwierig einzuschätzen, ich hab da nicht so die Rückmeldungen dazu." Die 18-jährige Erstwählerin Michelle Endreß weiß von einigen Freuden, dass sie zur Wahl gehen wollten, anderen hingegen war dies wohl egal. Für sie aber war wichtig, dass sie die Gelegenheit nutzt, bei der sie mit ihrer Stimme demokratisch mit entscheiden kann. Um sich kundig zu machen, hat sie sich im Internet umgetan und auch den (eine Zeit lang gerichtlich gesperrten) Wahl-O-Mat benutzt, "um zu sehen, welche Partei zu mir passen würde".
Optimistisch äußert sich Ute Stenger, einst Hirschhorns Bürgermeisterin und jetzt Wählerin. Stenger: "Früher war es wohl vielen nicht so bewusst, um was es geht, aber durch die jüngsten Ereignisse hat Europa mehr Aufmerksamkeit gefunden. Diesmal haben sich wohl mehr umfassend informiert," spricht’s und wirft ihren Umschlag in die Urne.
Den Kindern von Katrin Happes und den noch nicht wahlberechtigten Enkeln des Wahlvorstands ist zumindest klar, wohin’s nach Mamas Stimmabgabe geht: zum Fest der Feuerwehr- die dort angebotene Speisekarte hat Karlheinz Happes im Kopf und das lässt seinem Nachwuchs augenscheinlich das Wasser im Munde zusammen laufen: diese Wahl ist jedenfalls schon eindeutig entschieden...