Von Felix Hüll
Eberbach. 209 Kilometer kann man nicht täglich zur Arbeit und zurück pendeln. Und so hat Dr. Marius Golgath der neue Arbeitsplatz wieder zurück an seinen Heimatort Eschelbronn geführt - Eberbachs künftiger Stadtarchivar fährt von dort aus die rund 25 Kilometer nach Pleutersbach ins Archiv am Schulweg 6.
Seit Monatsanfang führt Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz seinen Nachfolger ins dessen künftiges Aufgabengebiet ein: Auch wenn der 31-jährige Historiker bereits im Landesarchiv gearbeitet hat und an der Philosophischen Fakultät der Universität Mannheim sowie an der Université du Littoral Côte d’Opale Boulogne-sur-Mer studierte, gilt es, die Gegebenheiten im neuen Wirkungskreis kennenzulernen. Dabei hilft Lenz, lernt Golgath sozusagen als Verbundarchivar an.
Den Rundgang durchs Gebäude und den Blick auf die Findbücher hat der Neue gleich zu Anfang erhalten. Golgath: "Ich habe gelernt, an welchen Standorten die Akten von Eberbach und die der einzelnen neun Verbundgemeinen lagern."
Die Findbücher sind gleichsam der Schlüsselbund eines Archivs; sie geben Aufschluss darüber, welche Dokumente wo im Archiv zu finden sind. Lenz: "So wie die Verwaltung arbeitet, muss sich das alles auch im Archiv widerspiegeln". Basierend auf den gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen ist genau geregelt, welche Unterlagen aus der Verwaltungsarbeit der Rathäuser als öffentliches Schriftgut nach welcher Zeit ins Archiv wandern und wie lange die "Archivruhe" für sie gilt (ein Zeitraum, in der Akten nicht öffentlich einsehbar sind zum Schutz der beteiligten Personen). "Dann kommt die wichtige Frage: was kann man vernichten? Wir Archivare sprechen da von ’Kassation’."
Gleichzeitig gilt es, auch privates Archivgut aufzunehmen und zugänglich zu machen. Lenz: "Wir sind daran interessiert, weil man auch damit gut dokumentieren kann, was in der Stadt passiert." Für "Lehrling" Dr. Marius Golgath ist das einerseits nichts Neues, andererseits aber doch: "Ich habe ja im Landesarchiv in Sigmaringen den Schwerpunkt auf behördlichen Akten. Grundstrukturen sind ähnlich, aber beim Kommunalarchiv liegt der Schwerpunkt auf städtischem Archivgut, und man ist nicht nur einem bestimmten Bereich zugeordnete, sondern ist vielseitiger."
In Eberbach kommt noch die Besonderheit hinzu, dass die Arbeit für zehn Gemeinden in drei Landkreisen verteilt auf zwei Bundesländer dem Archivar unterschiedliche Standpunkte vor Augen führt - eine Chance, meint Archivar Lenz: "Sie müssen da immer aus verschiedenen Perspektiven denken. Das ist für einen Archivar eine glückliche Situation im Vergleich zu Archiven, die nur eine Gemeinde betreuen. Das heißt, man muss umsichtig sein. Ein schläfriger Mensch ist hier fehl am Platze."
Belege für seine Umsichtsfähigkeit hat Lenz-Nachfolger Golgath bereits geliefert in Veröffentlichungen, mit historischem Engagement bereits als Schüler sowie mit dem Artes-Liberales-Absolventum-Preis 2015.
Golgath schrieb über die Lebensgeschichte des Kirchenpioniers Antonius Jacobus Henckel, der aus der Kurpfalz (unter anderem Daudenzell) nach Pennsylvania auswanderte, über das Einleben eingewanderter Geschäftsleute in der nordfranzösischen Stadt Lille, darunter die Familie Kolb aus Grötzingen bei Karlsruhe, der auch ein Urgroßvater des späteren französischen Generals und Präsidenten Charles de Gaulle entstammt. Golgaths erstes Buch entstand gemeinsam mit dem Heilbronner Glockenhistoriker Norbert Jung unter dem Titel "Neidensteiner Glocken- und Orgelklänge".
Von seinen bisherigen Forschungsinteressen ausgehend kann sich Golgath vorstellen, auch in Eberbach die Geschichte einflussreicher Bürgersfamilien einmal näher anzusehen, etwa im Umfeld von Theodor Frey. Golgath: Archivar sein ist wirklich auch Leidenschaft. Dazu gehört, dass man auch abends nach der Arbeit noch einen Text liest und sich mit der Geschichte und der Region verbunden fühlt."
Zu Golgaths Aufgaben gehören werden auf jeden Fall Fortführen und Schriftleitung der Eberbacher Geschichtsblätter, deren Band 2019 Archivar Lenz gerade redigiert. Golgath: "Mir ist wichtig, die Zusammenarbeit des von Herrn Lenz so gut strukturierten Archivs mit den Verbundgemeinden fortzusetzen und dabei die verschiedenen Interessen und Belange gemeinsam zu berücksichtigen."
Auch Golgath wird wie Lenz Vorträge halten, Beiträge etwa zu Ortsjubiläen veröffentlichen und ist schon jetzt integriert in die Vorbereitungen auf Eberbachs 800-Jahr-Jubiläum 2027.
Referate und Beiträge für das Ortsjubiläum von Moosbrunn oder zur Revolution in Hirschhorn führt Lenz auf jeden Fall noch selbst zu Ende. Lenz: "Und ich wohne ja in Schwarzach. Wenn Not am Mann ist, werde ich mich bestimmt nicht verweigern."