Von Elisabeth Murr-Brück
Rothenberg. Wasser? Kommt bei uns aus dem Hahn. Noch Anfang des letzten Jahrhunderts musste es manche Bewohner von Rothenberg Eimer für Eimer den Berg hinauf tragen. Erst der technische Fortschritt und ein Programm der großherzoglichen Regierung machte diesem Zustand ein Ende. Keineswegs alle fanden das gut. Das damals errichtete Pumpwerk war bis 1962 in Betrieb, die Anlage gilt als technische Rarität. Inzwischen sind die Pumpen in einem besser zugänglichen Ausstellungsgebäude an der Straße zwischen Kortelshütte und Rothenberg untergebracht und können dort auf Anfrage besichtigt werden. Anlässlich des Deutschen Mühlentags am Pfingstsonntag erklärte Thomas Wilcke vom Verkehrs- und Verschönerungsverein Rothenberg die technischen Details und erzählte aus der Geschichte der Rothenberger Wasserversorgung.
Das Problem ist so alt wie das Dorf: in regenarmen Zeiten sitzen die Bewohner der höher gelegenen Anwesen buchstäblich auf dem Trockenen. Im porösen Sandstein versickert das Wasser schnell und wird erst von einer 260 Meter tiefer gelegenen Schicht aus Lössboden aufgehalten, erst ab dieser Höhe finden sich die Quellen des Finkenbach- und Gammelsbachtales.
Wer höher wohnte, musste in Trockenzeiten das notwendige Wasser mühsam besorgen: Trinkwasser, Wasser zum Kochen und Gießen und vor allem für das Vieh, "Eimer für Eimer haben es die Frauen auf dem Kopf den Berg hinaufgeschleppt", erzählt Wilcke; ebenso wurde die Wäsche zum Waschen ins Tal und dann wieder nach oben gebracht, anstrengend und vor allem im Winter nicht ungefährlich.
Wiederholt, aber vergeblich baten die Rothenberger die großherzogliche Regierung in Darmstadt um Abhilfe, aber erst der technische Fortschritt eine Art Konjunkturprogramm für besonders benachteiligte Regionen im Odenwald brachte die Sache in Gang. Rothenberg war unter den ersten Kandidaten, die großherzogliche Kulturinspektion (sie entsprach in etwa dem heutigen Landwirtschaftsamt) trat auf den Plan und kam zum Ergebnis, dass die Quelle des "Großen Brunnens" gefasst nach Rothenberg gepumpt werden solle. Elektrizität allerdings gab es in dieser entlegenen Gegend noch nicht, ein Verbrennungsmotor kam wegen der hohen Betriebskosten nicht in Frage.
Übrig blieb ein Verfahren, das Wasser mit Hilfe von Wasser zu bewegen, ein Wassermotor der Firma Schmid aus Zürich, der im Prinzip wie eine Dampfmaschine arbeitet. Grundsätzlich war die Methode nicht neu, schon seit Jahrhunderten wurden Wasserhebemaschinen im Bergbau verwendet.
Über 290 Höhenmeter musste das Wasser aus dem Gammelsbachtal in den Hochbehälter von Rothenberg nach oben gepumpt werden, allerdings waren da noch ganz andere Widerstände zu überwinden. Die Gemeinde musste sich an den Kosten beteiligen, dafür einen Kredit aufnehmen und den Hiebsatz im Wald erhöhen.
Den Bauern im Unterdorf passte das anscheinend überhaupt nicht, sie hatten ihr Wasser und kein Interesse an einem Pumpwerk. "Der Gemeinderat", so ist es in den Aufzeichnungen der Behörde vermerkt "musste zur Raison gebracht werden", dann erst konnte man die zweieinhalb Kilometer Rohrleitungen durch den Wald legen und das Projekt in Angriff nehmen.
1902 konnte die erste Motorpumpe in Betrieb genommen werden, 1904 kam eine weitere dazu,um die Wasserversorgung auch während der Wartungsarbeiten und bei Reparaturen sicherzustellen. Bei aller technischen Raffinesse mussten die Pumpen häufig gewartet werden. Der hohe Druck brachte auch eine hohe mechanische Belastung mit sich, die Lederdichtungen der Ventile waren schnell verschlissen; erst als in den 50er Jahren Kunststoff auf den Markt kam, besserte sich diese Situation deutlich.
Nach Rothenberg versorgten die Pumpen später auch Ober-Hainbrunn und Kortelshütte bis 1962 mit Wasser; die Förderleistung betrug etwa 60 Kubikmeter pro Tag.
Info: Wer sich für die Anlage interessiert, kann sie nach Absprache besichtigen Kontakt gibt’s über Thomas Wilke unter Telefon (0 62 75) 10 27.
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