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Telekom-Inkasso-Forderungen: "Ich seh’ nicht ein, dass ich was zahle, was ich nicht muss"

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Hirschhorn/Heidelberg/Darmstadt. (fhs) So ein bisschen erinnert die Geschichte von Lieselotte Behnke an einen Roman von Franz Kafka: Du sagst, du hast nichts ausgefressen, aber sie suchen dich als Schuldigen. In Behnkes Fall: ein Inkassounternehmen fordert sie auf, Geld für ausstehende Telekomrechnungen zu überweisen. Sie sagt: "Ich bin der Telekom nichts schuldig."

Wenn man der Sache nachgeht, merkt man, wie schwer sich national aufgestellte Institutionen tun, lokale Details wahrheitsgemäß nachzuprüfen und Auskunft nach außen zu erteilen. Und Lieselotte Behnke ist offensichtlich kein Einzelfall, auch wenn die Behörden sagen, sie wüssten von nichts Vergleichbarem.

Eine Firma EOS/SAF mit Niederlassung u.a. in Heidelberg fordert im Februar Lieselotte Behnke auf, einen von der Telekom erhobenen "Schuldtitel" in Höhe von 961 Euro und 8 Cent zu begleichen - "zuzüglich weiterer 6,2 Prozent Zins pro Jahr auf die jeweils restliche Hauptforderung".

Die vorgeschlagene Kontaktaufnahme bringt keine Klärung. Das Unternehmen bezeichnet die Forderung als "rechtskräftig festgestellt" und schreibt Behnke kurz darauf, man könne für einen eng begrenzten Zeitraum "ausnahmsweise einen erheblichen Nachlass einräumen" - nun soll Lieselotte Behnke nur noch 768 Euro an ein Konto der Inkassofirma in Hamburg überweisen "...und die Sache ist für Sie erledigt".

Weil Behnke dieses Verfahren verdächtig vorkam, weil sie Zweifel an der Echtheit sowie Seriosität des Forderungsschreibens hatte und vor allem, weil sie wusste, dass sie bei der Telekom keine Rechnung mehr offen hat, ging sie mit dem Schriftwechsel zum Polizeiposten in Hirschhorn.

Dort habe man ihr gesagt, es habe bereits ähnliche Fälle gegeben, in denen die Leute allerdings bezahlt hätten. Die Beamtin leitete die Unterlagen weiter.

Auf unsere Nachfrage hin teilte das zuständige Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt mit, dass der Fall Behnke bekannt und jetzt an die Staatsanwaltschaft Darmstadt weiter geleitet worden sei. Die Staatsanwaltschaft werde über das weitere Vorgehen in dieser Sache entscheiden. Polizeisprecherin Christiane Kobus bestätigt eine wenige Tage zuvor schon erteilte Auskunft ihres Kollegen Sebastian Trapmann, dass andere Fälle dieser Art der Polizei allgemein sowie dem fachlich zuständigen Betrugsdezernat aktuell nicht bekannt seien. Habe es solche doch gegeben, seien sie der Polizei eben nicht angezeigt worden.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Darmstadt, Nina Reiniger, erklärt, der Fall von Lieselotte Behnke sei noch nicht aktenkundig geworden, merkt aber an, dass sie nicht alles einsehe, was auf dem Dienstweg zur Staatsanwaltschaft erst noch unterwegs sei.

Weil am Standort Heidelberg das zur Otto Group gehörende Inkassounternehmen EOS SAF Forderungsmanagement GmbH in Baden-Württemberg liegt, ist hier das Polizeipräsidium Mannheim zuständig. Auch hier heißt es, es sei von einer Betrugsmasche aktuell nichts bekannt, nach der Kriminelle versuchten, mit fingierten Forderungsschreiben von Opfern vorgeblich ausstehende Geldforderungen auf ihre Konten zu leiten.

Das Unternehmen EOS Deutschland selbst reagiert über seine Hamburger Sprecherin Laya Moghaddam Ghazvini: Ihrer Auskunft nach handelt es sich bei dem Schreiben von EOS in Heidelberg um einen korrekten Vorgang, auch das Gewähren eines Nachlasses in dieser Form sei als geschäftsüblich nicht außergewöhnlich.

Und als auch noch Telekomsprecher Christian Schwolow aus Bonn auf Presseanfrage mitteilt: "Unsere Recherchen haben ergeben, dass die Forderung berechtigt ist", steht Lieselotte Behnke zumindest als Person da, die nicht die Wahrheit sagt und eine Rechnung offen hat.

"Das stimmt einfach nicht! Ich bezahle das nicht und lasse mich nicht unter Druck setzen," sagt die couragierte Frau, die jetzt das Inkassounternehmen und die Telekom aufgefordert hat, ihr die Rechnungen zu schicken und die Buchungsnummern zu vergleichen.

Vor über zehn Jahren hatte Lieselotte Behnke, damals noch in Hagen in Nordrhein-Westfalen wohnend, als Vertreterin des "Hagener Lohnsteuerhilfevereins" ihren Angaben zufolge ordnungsgemäß einen Telefonanschluss beendet. Weil zur gleichen Zeit in Hagen-Haspe ein Verein "Lohnsteuerhilfe Hagen" existiert habe, dessen Beratungsstellenleiter von Polizei und Staatsanwaltschaft gesucht worden sei, drängt sich nicht nur für Lieselotte Behnke der Verdacht auf, dass es hier zu Verwechslungen bei der Telekom gekommen sein könnte.

Über dieses Muster "alte inzwischen beglichene Rechnung - neues Inkassoschreiben" kursieren im Internet zahlreiche nicht nachprüfbare Vorwürfe gegenüber EOS. Das Unternehmen habe die bisherige Inkassobeauftragten der Telekom abgelöst und versuche, durch rigides Eintreiben angeblich offener Außenstände seine Leistungsfähigkeit zu zeigen, so der zahlreich erhobene Vorwurf.

Von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erklärt dazu die Juristin Julia Woywod-Dorn, dass sie bereits von Beschwerden ähnlicher Art weiß. Grundsätzlich gelte: Wenn jemand ein Schreiben eines Inkassounternehmens erhält, ohne dass sie oder er sich einer bestehenden Forderung bewusst ist, sollte man sich das Original der Vollmacht oder eine Abtretungsurkunde zusenden lassen. Des Weiteren solle das Inkassounternehmen den Beleg für die behauptete Forderung vorlegen. "Diese Aufforderung versenden Sie am besten per Einschreiben mit Rückschein, damit Sie belegen können, dass Sie die Forderung angezweifelt haben", rät Woywod-Dorn. Eine Kopie sollte an das beauftragende Unternehmen gehen.

Solange der Vorgang nicht geklärt ist, sollte keine Zahlung erfolgen. Sobald allerdings ein gerichtlicher Mahnbescheid zugestellt wird, sollten Betroffene umgehend anwaltlichen Rat zur weiteren Vorgehensweise einholen. Betroffene können sich bei Fragen zudem an die Verbraucherzentrale wenden.

Wie sie jetzt die aktuelle Forderung erhalten hatte (Behnke: "Wieso kommen die jetzt nach über zehn Jahren damit? Ich hatte vorher keinerlei Probleme.") wandte sie sich an die Rechnungsstelle der Telekom. Behnke erhielt bei ihren Anrufen dort einmal von einem Markus Holz aus Rostock und einmal von einer "Frau Mack" aus Pasewalk, beides Mecklenburg-Vorpommern, die Auskunft, dass die Telekom keinerlei Forderungen gegen sie erhebe - eine Auskunft, der Bonns Telekomsprecher Schwolow wie gesagt widerspricht.

Um die sich nun schon seit Februar monatelang hinziehende strittige Angelegenheit aufzuklären, hofft Lieselotte Behnke nun auf das Abgleichen der Buchungsnummern durch Inkassounternehmen sowie Telekom und darauf, dass die Staatsanwaltschaft in Darmstadt ihre Post erhält, so dass sie eine Entscheidung fällen kann.


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