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Gewerkschafter wollen Lohndumping und Befristungen auch im Neckartal bekämpfen

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Von Felix Hüll

Hirschhorn. Ausgestattet mit mittelalterlichen Monturen, Pfeil, Bogen und (Schokoladen-)Goldtalern wollen die Gewerkschafter die Forderung: "Umverteilen! Reichtum besteuern! Gerechtigkeit schaffen!" auf die Straße bringen. 2016 kommt neben dem Regionssekretär Südhessen, Horst Raupp aus Darmstadt, auch der stellvertretende Bezirksvorsitzende des DGB Hessen-Thüringen, Sandro Witt, eigens dafür nach Hirschhorn. Raupp und Witt beantworten dazu Fragen.

Sie nutzen seit sechs Jahren des Ritterfest, um sozialpolitische Anliegen des DGB vor Ort mit der Robin-Hood-Aktion zu thematisieren. Sieht man von bundesweit geltenden Rahmenbedingungen ab - wo drückt berufstätige Menschen in Hirschhorn derzeit denn besonders der Schuh?

Horst Raupp: Der Kreis Bergstraße gehört zu den wirtschaftsstarken Regionen in Hessen. Dennoch arbeiten fast 25 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Landkreis im Niedriglohnbereich. In Hirschhorn ist dieser Anteil sicher noch höher. Außerdem sind immer mehr Arbeitsplätze befristet. Das trifft vor allem die junge Generation. Viele junge Menschen haben noch nie einen unbefristeten Arbeitsvertrag gesehen und hangeln sich von Befristung zu Befristung durch.

Was man heute "prekäre Beschäftigung" nennt, hieß früher völlig zutreffend Ausbeutung. Zentrales Ziel der DGB-Gewerkschaften ist es, die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wiederherzustellen, Lohndumping und das um sich greifende Befristungsunwesen zu bekämpfen und gute Arbeit und gute Löhne durchzusetzen. Wer für einen Armuts- und Hungerlohn arbeitet, kann davon nicht leben, nicht im Beruf und schon gar nicht später im Rentenalter.

Die Gewerkschaften kämpfen für gute Löhne und gute Renten. Beides gehört zusammen. Gute Löhne sind der beste Schutz vor Altersarmut.

Ein weiteres wichtiges Thema für berufstätige Menschen ist kommunaler Art: Die Stadt Hirschhorn steht unter dem "Schutzschirm" des Landes Hessen. Die harten Vorgaben und Auflagen der Landesregierung haben zu einer massiven Erhöhung der kommunalen Abgaben und Steuern geführt. Das belastet vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen.

Wie hat sich denn der Verkauf des Unternehmens "Checkpoint" im März auf Stadt und Umland ausgewirkt?

Raupp: Der Verkauf des Unternehmens hat bislang noch keine Auswirkungen. Der Betriebsrat von Checkpoint und die IG Metall haben mögliche Veränderungen und Umstrukturierungen aber aktiv auf dem Radarschirm.

Wie viele Hirschhorner sind eigentlich im DGB-Ortsverband organisiert?

Raupp: In Hirschhorn gibt’s viele Gewerkschaftsmitglieder. Checkpoint ist gewerkschaftlich gut organisiert. Im DGB-Ortsverband Hirschhorn arbeiten 12 bis 15 Mitglieder aktiv mit.

Wird für Sie der Kommunalwahlkampf mit den drei Bewerbern zum 25. September eine Rolle spielen?

Raupp: Für den DGB ist neben der Landes-, Bundes- und Europapolitik auch die Kommunalpolitik ein wichtiges politisches Handlungsfeld. Lebenswerte Städte und Gemeinden sind das Fundament unserer Gesellschaft. Hier wird unmittelbar vor Ort über die Lebensbedingungen der Menschen entschieden. Der DGB Hirschhorn wird sich genau anschauen, welche Konzepte die Bürgermeisterkandidatin und die beiden Bürgermeisterkandidaten vorlegen, um die anstehenden Probleme zu lösen und Hirschhorn weiterzuentwickeln. Nach der Wahl werden wir uns mit der neuen Bürgermeisterin oder dem neuen Bürgermeister treffen und ebenso wie mit den demokratischen Parteien über die Themen sprechen, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtig sind: die Sicherung und die Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze, der Erhalt und der Ausbau der kommunalen Infrastruktur und die kommunale Steuer- und Gebührenpolitik.

Herr Witt, wie gut kennen Sie sich in gewerkschaftlichen Angelegenheiten des hessischen Neckartales aus (neben Hirschhorn auch Neckarsteinach)?

Sandro Witt: Der DGB Bezirk Hessen-Thüringen, in dem ich als geschäftsführendes Vorstandsmitglied Verantwortung trage, umfasst zusammen alleine 38 Landkreise. Daneben gibt es weit mehr als tausend kommunale Gebietskörperschaften. Meiner Erfahrung nach sind die grundsätzlichen gewerkschaftlichen Anliegen identisch. Ob im nördlichsten Thüringen in Nordhausen oder eben in Hirschhorn und Neckarsteinach, überall geht es darum, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern. Unser Anliegen dabei sind starke betriebliche Mitbestimmungsstrukturen, also Betriebs- und Personalräte und die Ausweitung der Tarifbindung. Vergleichbar ist auch die finanzielle Situation der Kommunen.

Welchen Ratschlag kann ein erfahrener Gewerkschafter de(r/m) künftigen Hirschhorner Bürgermeister(in) geben, wie man in einer Kleinstadt Investoren dazu bringt, Arbeitsplätze neu zu schaffen? Kennen Sie Beispiele, die Vorbildcharakter haben?

Witt: Das ist nicht so einfach zu beantworten, und ich maße mir auf keinen Fall an hier Ratschläge zu verteilen. Kritisch möchte ich aber anmerken, dass bei uns in Thüringen viel zu oft Unternehmen angesiedelt wurden, die Tarifbindung und betriebliche Mitbestimmung heftigst bekämpft haben. Thüringen wurde somit bekannt als Niedriglohnstandort.

Diesen Ruf wieder wegzubekommen dauert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Für die Anwerbung von Investoren ist natürlich ein guter Kontakt zu politisch Verantwortlichen im Land wichtig, und neben den harten müssen auch die weichen Rahmenbedingungen vor Ort stimmen.

Aus gewerkschaftlicher Sicht brauchen wir daneben aber auch die vorhin schon angesprochenen Kriterien wie betriebliche Mitbestimmung und Tarifbindung. Da kann ein Bürgermeister auf Landesebene Einfluss nehmen und sich für eine entsprechende Ausrichtung der Förderpolitik des Landes einsetzen.

Sie mobilisieren ja auch für den Welthandel-Aktionstag 17. September. Instrumentalisieren Sie da nicht ein lokales eher unpolitisches Fest für dieses Anliegen, an dem ja im Gegensatz zu Sherwood Forest und normannischen Herrschern gewählte Parlamentarier mehr oder weniger mitwirken?

Witt: Internationale Handelsbeziehungen sind wichtig. Sie brauchen aber vor allem eines: klare sozial- ökologische Leitplanken. Beschäftigte, Verbraucher und Umwelt müssen die Vorteile spüren. Die zahlreichen TTIP Verhandlungsrunden haben vor allem an diesen Stellen bisher überhaupt keinen grundlegenden Fortschritt gebracht.

Hinzu kommt noch, dass wir über die Frage von Transparenz zu diskutieren haben. Internationale Abkommen, mit einer solchen Schlagkraft und Reichweite, bei denen Abgeordnete des Bundestages öffentlich erklären, dass sie keine Informationen haben und überhaupt nicht wissen, was da verhandelt wird. Das geht nicht. Deshalb mobilisieren wir zu den gemeinsamen Demonstrationen und werden nicht locker lassen.

Wo kann man sich als Hirschhorner anschließen, um beim Anti-CETA-TTIP-Aktionstag mit dabei zu sein? Fahren Sie nach Frankfurt oder Stuttgart?

Raupp: Der DGB Hirschhorn mobilisiert für die Großdemonstration in Frankfurt. Die Anreise erfolgt mit der Bahn. Die Fahrkarten für die Fahrt nach Frankfurt und zurück sind von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst zu zahlen. Es können Gruppentickets gelöst werden damit die Fahrkarten billiger werden. Infos gibt’s im Gewerkschaftsbüro Hirschhorn, Hauptstraße 34, Telefon (0 62 72 / 92 89 81), mail: ortsverband.hirschhorn@dgb.eu


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