Von Heiko Schattauer
Schwarzach. Ein bedeutender Satz fällt ganz am Ende der Unterhaltung über das Wirken des Arbeitskreises Asyl Schwarzach. "Man sieht ja immer die Flüchtlinge im Fernsehen. Ich sehe inzwischen den Menschen", sagt Josef Stahl. Der Metzgermeister ist einer der Unternehmer, die einen Asylbewerber bei sich im Betrieb eingestellt haben. Seit Mai tritt Ekramodin Abdullahin jeden Morgen um 8 Uhr in der Metzgerei in Schwarzachs Ortsmitte zum Dienst an, seit 1. Oktober hat der 29-Jährige einen "richtigen" Arbeitsvertrag, wird nach Mindestlohn für 110 Stunden im Monat bezahlt.
Dass der junge Mann aus Afghanistan weder schreiben noch lesen kann, dass sein Deutsch noch bruchstückhaft ist - bei der Arbeit in der Metzgerei stört das keinen. "Der hat zwei Augen im Kopf, der sieht manchmal mehr als ich", schildert Josef Stahl, warum er mit seiner Aushilfe hoch zufrieden ist: "Man hat auf Anhieb gesehen, dass er in seiner Heimat schon mal in einem ähnlichen Bereich gearbeitet hat. Er ist eine echte Hilfe."
Vor allem aber ist er ein Beispiel dafür, dass auch weniger gebildete Flüchtlinge hierzulande durchaus (sinnvolle) Beschäftigung finden können. "Ekramodin hat noch nie eine Schule von innen gesehen", erläutert Norbert Schlottmann vom Arbeitskreis Asyl in Schwarzach. Dass der 29-Jährige auch als Analphabet seinen Beitrag im Betriebsalltag leisten kann, hat Josef Stahl in den vergangenen Wochen und Monaten - Abdullahin arbeitet seit Mai in der Metzgerei - feststellen können. "Das ist für mich das, was man eine Win-Win-Situation nennt", so der Metzgermeister. Er habe eine zuverlässige Arbeitskraft, die er so auf dem Arbeitsmarkt schwerlich findet. Der junge Afghane seinerseits hat eine feste Beschäftigung, auf der er zudem eine weitere berufliche Zukunft aufbauen könnte.
Josef Stahl wünscht sich diesen Weg für seinen (neuen) Mitarbeiter, auch wenn er ihn selbst so gut gebrauchen kann. In seinem Betrieb sei nicht mehr drin als die derzeit realisierten 110 Stunden, damit sei auf Dauer aber der Lebensunterhalt eben nicht zu bestreiten. "Um als Fleischergehilfe zu arbeiten, braucht er keine Prüfung", sagt Stahl, der nicht an den Fähigkeiten und dem Willen seiner Aushilfe zweifelt. In der Tat, der 29-Jährige nimmt die gestellten Aufgaben an, scheut als Muslime auch die Verarbeitung von Schweinefleisch nicht. "Solange ich es nicht essen muss, ist das kein Problem", scherzt Abdullahin.
Mit dem Einstieg des Flüchtlings in der Metzgerei hat sich indes auch das angestammte Personal weiterentwickelt: "Wir bemühen uns, jetzt ein bisschen mehr nach der Tinte zu sprechen", schildert Josef Stahl die Bemühungen, den ausgeprägten Dialekt zwecks besserer Verständigung ein wenig einzudämmen.
Die Sache mit der Sprache geht man in Schwarzach ohnehin eher pragmatisch und praktisch an. Wie man das macht, erläutert Norbert Schlottmann: "Wir vermitteln die deutsche Sprache gerne so, dass die Jungs sie auch in der Praxis anwenden können." Nachdem sie gewisse "Basics" drauf haben, schult man die Asylbewerber in Kleingruppen und deren Bedürfnissen entsprechend. Schlottmann ist einer von insgesamt acht Sprachtrainern im Asylkreis, an fünf Tagen in der Woche lehrt man den Flüchtlingen in Schwarzach alltagsnahes Deutsch.
Neben der Sprache ist ein weiterer Schwerpunkt die Beschäftigung. Und da hat der AK Asyl bereits bemerkenswerte Erfolge erzielt. 23 der 35 Flüchtlinge, die in der Unterkunft auf dem Schwarzacher Hof untergebracht sind, hat man bereits in ein Beschäftigungsverhältnis bringen können.
"Wir versuchen, möglichst niederschwellige Angebote zu machen", sagt Schlottmann. Und meint im Grunde vor allem, dass man möglichst viele (bürokratische und organisatorische) Hürden für Arbeitgeber und Flüchtlinge schon vonseiten des Arbeitskreises überwindet.
Inzwischen können Schlottmann und seine rund 30 Mitstreiter vom Arbeitskreis eine Art "All-Inclusive-Paket" zur Beschäftigung von Asylbewerbern bieten. Am Anfang stehe immer eine Hospitation, der ein Berufsorientierungs-Praktikum folgt. Und im Idealfall eben eine feste Anstellung (wie bei Ekramodin) oder eine Ausbildung.
Die hat Yusupha Ceesay bereits in Aussicht. Der 27-Jährige, wie Abdullahin seit Dezember 2015 in Schwarzach, ist über ein Praktikum in den Kfz-Betrieb Berg gekommen, macht seit 1. Oktober seine sogenannte "Einstiegsqualifizierung" (als Vorbereitung auf eine Ausbildung). Im kommenden Herbst soll er dann seine Lehre als KFZ-Mechatroniker starten.
"Die Jungs wollen arbeiten, die wollen selbstständig sein, die wollen Geld verdienen", sagt Norbert Schlottmann. Zumal Arbeit für die allermeisten der Asylbewerber vor Ort auch ein Stück weit mit Würde verbunden sei. Das Selbstbild der Flüchtlinge, die inzwischen einer Beschäftigung nachgehen, sei jedenfalls definitiv positiver als es noch in ihrer untätigen Zeit gewesen war.