Von Marcus Deschner
Schönbrunn. Hans-Jörg Hilderhof ist sauer. Grund ist der Wegfall des Branntwein-Monopols zum kommenden Jahresende. Bisher bedeutete dies für Hilderhof, dass ihm der Staat Alkohol zu gesetzlich garantierten Preisen abnimmt und etwa als Industriealkohol weiterverwertet. Die Regelung stellte für viele Kleinbrennereien bislang eine sichere Einnahmequelle dar, mit der sie kalkulieren konnten. Auf Druck der EU fällt es nun weg, da es in anderen EU-Mitgliedstaaten diese Regelung nicht gibt und man die Abnahmegarantie als Subvention wertete.
"In Zukunft mach’ ich gar nix mehr", schimpft Hilderhof. Er führt die seit 1928 in Schönbrunn bestehende Kleinbrennerei in der vierten Generation. Und meint damit seinen Eigenbrand. Bislang konnte er jährlich bis zu 300 Liter Schnaps aus Äpfeln und Birnen steuerfrei brennen. Einen Teil davon musste er an den Staat abliefern und erhielt dafür etwa 3,50 Euro je Liter. Dieser Schnaps wurde per Lkw - "ähnlich einem Milchzug" - im Kleinen Odenwald abgeholt und in eine Fabrik nach Karlsruhe gefahren. Dort wurde der "Stoff" laut Hilderhof nochmals gebrannt und von der Behörde als hochprozentiger Industrie- oder Apothekenalkohol weiterverkauft. Das sei mittlerweile alles Geschichte, die Fabrik längst dicht. "Jetzt kommt dieser Alkohol aus dem Ausland", klagt Hilderhof. Für ihn rechne sich folglich in Zukunft die ganze Plackerei nicht mehr - angefangen vom Auflesen der Früchte auf den Streuobstwiesen. "36,79 Euro Branntweinsteuer pro hundert Liter Maische, Kosten für Holz, Wasser und anderes beim Brennen, eine Flasche plus Etikett und dazu noch die Umsatzsteuer", rechnet er vor. Wenn’s gut laufe, könne man daraus allenfalls zehn Liter Obstbrand erzielen.
"Da arbeite ich grad mal für fünf Euro die Stunde. Das Obst bleibt dann halt auf den Wiesen liegen". Lohnbrände will Hilderhof künftig freilich weiter vornehmen, also Obst zu Schnaps veredeln für andere Personen. Denn jede Privatperson, die über Immobilieneigentum verfügt, darf jährlich bis zu 50 Liter brennen lassen. "Aber es sind nicht mehr viele". Steinobst ist allerdings sowieso von der Steuerbefreiung ausgenommen.
Dabei muss Hilderhof, der hauptberuflich als Heilerziehungspfleger arbeitet und die Schnapsbrennerei nur nebenbei betreibt, akribisch fünf Werktage vor dem Brenndatum Name, Adresse, Geburtsdatum und einiges mehr wie Rohstoffdaten an das Hauptzollamt in Stuttgart melden. Jede Menge Bürokratie also. "Das ist fast wie bei einer Steuererklärung", sagt der Mann, der sich für sein 2008 übernommenes "Hobby" extra zertifizieren ließ. Von 6 bis 20 Uhr darf dann täglich gebrannt werden, Sonn- und Feiertage ausgenommen. Anderthalb Stunden bleibt das Rohmaterial in der Brennblase, ehe es abgekühlt zu trinkbarem Schnaps verdünnt wird. Denn nach dem Brennvorgang kommen etwa 70 Prozent Alkohol raus", erklärt der Fachmann.
Regelmäßig schaut auch der Zoll aus Mannheim in der Schönbrunner "Abfindungsbrennerei" vorbei und kontrolliert, ob alles seine Ordnung hat. So auch vergangene Woche wieder, als Hans-Jörg Hilderhof zwei Brenntage angemeldet hatte. Es gebe auch noch Verschlussbrennereien, die sogar 24 Stunden täglich brennen dürften. Die würden allerdings verplombt. An den so gewonnenen Alkohol komme man nur unter Aufsicht eines Zollbeamten ran, erläutert er. Überhaupt sei der Umsatz mit Schnaps in den letzten Jahren stark zurückgegangen, sagt Hilderhof. Obwohl ihm Brennereien in der Umgebung, die bereits aufgegeben haben, Kundschaft schickten, habe er keinen Auftrieb erlebt. Auch hier spiele billige ausländische Konkurrenz eine Rolle. Zudem habe der Schnapskonsum der Bevölkerung in den zurückliegenden Jahren sowieso stark abgenommen. "Wer trinkt heute in der Wirtschaft noch einen Obstler?", fragt Hilderhof. "Ein Ramazzotti geht eher".
Und eine Marktnische, wie etwa einen Hofladen aufbauen, komme für ihn nicht in Betracht. "Das rentiert sich in Schönbrunn nicht", kommentiert Hans-Jörg Hilderhof solch wohlfeile Ratschläge von Politikern.