Von Hajo Eckert
Heddesbach. Kritik am neuen Pflegestärkungsgesetz II äußert Johannes Paetzold, der Betreiber des Pflegeheims "Maranatha" in Heddesbach. Die ständige Überlastung des Pflegepersonals nennt Paetzold als Hauptkritikpunkt. Im Vergleich der alten Pflegestufen zu den neuen Pflegegraden sei entweder weniger Pflegequalität oder die Ausnutzung der Pflegekräfte die Folge, da sie mehr Leistung erbringen müssten. Der Heimleiter bezeichnet das neue Pflegestärkungsgesetz II (PSG II) als "Mogel- packung".
Sie kritisieren das (PSG II). Warum?
Johannes Paetzold: Das PSG II war reiner Aktionismus. Vieles ist da widersprüchlich. Die Bundesregierung verspricht mehr Pflegebedürftigen mehr finanzielle Leistungen aus der Pflegeversicherung, da Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz in den Leistungsbezug mit aufgenommen wurden. Nicht gesagt wird, dass die Neu-Einstufungen insgesamt niedriger ausfallen werden, als bei der Bestandssicherung in der Übergangsphase. Es könnte sein, dass Pflegebedürftige abgestuft werden oder ein Pflegegrad abgelehnt wird. Andererseits ist es für die Pflegeheime vorwiegend ein personelles Problem, die versprochenen sachlichen Mehrleistungen, sowie den Zuwachs von mehr Hilfebedürftigen umzusetzen. Es ist kaum zu realisieren, weil die erforderlichen Pflegekräfte gar nicht vorhanden sind. Im stationären Bereich wurden die Personalschlüssel deutlich gekürzt. Den verantwortlichen Politikern ist der Personalmangel sehr wohl bekannt. Derzeit sind 16 unserer 17 Heimbewohner Demenzkranke.
Wie lange gilt die Bestandssicherung nach Einführung des PSG II?
Die Bestandssicherung gilt bis zur Verhandlung neuer Pflegesätze für unser Heim. Das ist September. In der Übergangsphase sollte bei den aktuellen Bewohnern keine finanzielle Schlechterstellung entstehen.
Wer legt die neuen Pflegesätze fest?
Die Pflegesätze während der Umstellung blieben in der Regel gleich. Die neuen Pflegesätze muss jede Einrichtung für sich selber mit der Pflegeversicherung und dem Sozialamt vereinbaren.
Sie werden die Pflegesätze im September neu verhandeln. Was ist ihr Ziel?
Wir arbeiten derzeit mit Löhnen unter Tarif. Sie liegen circa 13 Prozent unter dem Tariflohn. Mit der neuen Pflegesatzverhandlung soll die Lücke zum Tarif um circa 6,5 Prozent kleiner werden. Der Tariflohn darf nicht mehr abgelehnt werden.
Wie hoch müsste der Eigenanteil in ihrem Heim sein, um das Tariflohnniveau zu erreichen?
Der Eigenanteil wäre dann bei circa 2600 Euro, wenn die Lücke zum Tariflohn geschlossen wird. Die Personalkosten betragen rund 81 Prozent von unseren Gesamtkosten.
Zahlen viele Heime unter Tariflohn?
Bis 2016 wurden vom Kostenträger keine Tariflöhne bei privaten Heimen akzeptiert. Wir waren somit benachteiligt. Begünstigt sind Heime mit einer Rechtsform als gGmbH, Stiftung oder e.V. Diese haben teilweise bessere Sätze erhalten zur Deckung der Personalkosten.
Wer zahlt was, und wie viel?
Das Kostenraster für die Berechnung des Gesamtheimentgeltes pro Bewohner ist einheitlich vorgegeben. Der Pauschalbetrag der Pflegekassen am Gesamtheimentgelt je Pflegegrad ist bundeseinheitlich gleich hoch. So erhält der Pflegegrad 5 einen Pflegebetrag von monatlich 2005 Euro in allen Einrichtungen, und PG2 erhält 770 Euro. Die über die Pflegegrade 2 bis 5 gleichbleibenden Eigenanteile zahlt der Heimbewohner. Kann ein Pflegebedürftiger nicht selbst zahlen, übernimmt das Sozialamt den Anteil.
Sie haben die Pflegestufen-Zeiteinheiten ungerechnet auf die Pflegegrade und sagen: "das PSG II sei eine Mogelpackung". Warum?
Die von der Schiedsstelle festgelegten, derzeitigen Personalschlüssel liegen durchweg unter den Personalschlüsseln, die vor dem PSG II galten; also bis 31. Dezember 2016. Aufgrund dieses Personalschlüssels habe ich die Minutentakte der bisherigen Pflegestufen umgerechnet auf die neuen Pflegegrade. Beim Pflegegrad 2 ergeben sich acht Minuten weniger Pflegezeit pro Pflegebedürftigem und Tag. Bei PG 3 sind es zehn Minuten weniger; bei PG 4 ergeben sich 19 Minuten weniger. In PG 5 verringert sich die Zeit um 30 Minuten.
Die Zeiteinheiten haben bei den Pflegegraden keine offizielle Bedeutung mehr. Aber aus dem zugrunde liegenden niedrigeren Personalschlüssel ergibt sich die Zahl der Pflegekräfte eines Heims. Und ein niedrigerer Personalschlüssel bedeutet Personalabbau. Eine Mogelpackung ist für mich das PSG II daher, weil weniger Personal mehr Dienstleistungen erbringen soll für mehr Anspruchsberechtigte.
Bedeutet dies, dass die Heime über den aktuellen Personalschlüssel weniger Geld erhalten, obwohl vordergründig durch das PSG II das Heimentgelt erhöht wurde?
Durch das PSG II wurde das Heimentgelt, entgegen allen Behauptungen, nicht erhöht. Heime mussten durch die entsprechenden Umrechnungsfaktoren die Entgelte ertragsneutral umstellen.
Wird es für die kleineren Heime schwieriger durch das neue PSG II?
Ja, viele werden kaputt gehen. Kleine Heime können nicht so leicht das Belegungsmix anpassen, damit es wieder rentabler wird. Aber auch andere Vorschriften, werden den kleinen Pflegeheimen das Überleben schwer machen.
Was ist ihr Resümee zum PSG II?
Mir geht es um die Pflegequalität und die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Aktuell besetzen wir 9,5 Pflege-Planstellen, incl. mir selbst und meiner Frau, für 17 Pflegebedürftige. Von diesen 9,5 Stellen sind lediglich 6,5 über den Pflegesatz finanziert. Den Ertrag des Heims erwirtschafte ich über die eigene Arbeitsleistung. Wir benötigen noch ca. 1,5 Planstellen. Dann wäre es ideal.