Von Felix Hüll
Eberbach. Anhand von sechs Thesen hat der Chefredakteur der Rhein-Neckar-Zeitung, Dr. Klaus Welzel, "Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten - vom vermeintlichen Nutzen der Katastrophen" abgehandelt. Welzel sprach auf einem RNZ-Forum. Erstmals fand dieses Format nicht in Heidelberg, sondern in Eberbach statt - als Teil der VHS-Herbstveranstaltungsreihe "Und plötzlich ist alles anders".
Blickt man auf die Medienlandschaft, fällt auf, dass Katastrophen seit jeher Menschen faszinieren. Sie verfolgen gern das Leid anderer und schlechte Nachrichten. Medien gelten zwar als "die ganz großen Miesmacher", aber sie stehen damit nicht alleine da, stellte Welzel im Saal der Volkshochschule vor 25 Besuchern fest. "Nicht die Medien oder die Medienschaffenden haben die große Lust an bad news - es sind die Leser, Zuhörer und Zuschauer - die Nutzer."
In den 70er/80er Jahren zog eine Firma wie Benetton mit Schockwerbung nachweislich große Aufmerksamkeit auf sich. Namen und Marke des italienischen Modeherstellers wurden so weltweit bekannt. Nicht nur in den USA gelte, dass Berichte über blutige Geschehnisse einen Verkaufserfolg garantierten. Auch hierzulande lebten Verkaufszeitungen des Boulevards wie auch das Privatfernsehen davon, dass möglichst viele Menschen ihre Angebote wahrnehmen und bezahlen. Daran orientiere sich die Produktion der Inhalte.
Selbst die Volkshochschule nutze dieses Muster etwa mit ihrem Flugblatt zur Herbstveranstaltungsreihe: das Bild einer zersplitterten Scheibe darauf wecke Assoziationen von Einbruch, Gewalt, Diebstahl und Not - oder davon, dass plötzlich etwas eindeutig Negatives passiert.
Am Anfang des Zeitungswesens stand laut Welzel die Kriegsberichterstattung. Dabei müssten Nachrichten nicht schlecht sein. Im Gegenteil: es gebe ein großes Bedürfnis nach "good news".
Welzel nannte als Beispiel die Zeit direkt nach Zusammenbruch des Naziregimes und dem Kriegsende, in der die RNZ 1945 die Lizenz für vier Seiten freie, nicht mehr gleichgeschaltete Information erhielt. Lediglich zwei mal habe damals die US-Zensur die Veröffentlichung einer Information untersagt. Im weiteren Verlauf führte das seit dem 30-jährigen Krieg belegbare Leserinteresse an "Katastro-phenberichterstattung" dazu, die Welt schlechter zu sehen, als sie wirklich ist.
Unfallzahlen seien beispielsweise über die Jahre zurückgegangen, aber die vielen Veröffentlichungen darüber ließen ihre Zahl höher erscheinen; selbst die Polizei bitte Medien, zur Abschreckung möglichst noch mit Bild darüber zu berichten. Ohne die wirklichen Tatsachen schöner schreiben zu wollen, als sie sind, seien gute Nachrichten "das Salz in der Suppe des Journalismus", und deswegen wolle man sie fördern.
Lösungswege suchen
Wenn man die Dinge fair und unparteiisch beleuchte, konstruktive Kritik übe und sich die Mühe mache, positiv nach Lösungswegen aus katastrophalen Lagen zu suchen, könne Journalismus dazu dienen, für die Allgemeinheit doch einen Nutzen aus Katastrophen ziehen, schloss Welzel.
In der Diskussion betonten Zuhörer, wichtig sei, Quellen genau zu benennen und sie zu hinterfragen. Welzel erinnerte an die journalistischen Standards, das Überprüfen des Wahrheitsgehaltes von Informationen und das Einordnen von Nachrichten in Zusammenhänge.
Er habe ein völlig anderes Weltbild als die Unter 40- bzw. die Unter-20-Jährigen, stellte ein anderer Besucher fest. Wie die Zeitung mit dieser immer unterschiedlicheren Wahrneh-mung des Alltags umgehe? Welzel zählte auf: neben dem digitalen Engagement der RNZ in sozialen Netzwerken und mit einer demnächst über-arbeiteten App gebe es Publikumsveranstaltungen wie dieses Forum oder die Sommertour sowie Besuche in den Schulen etwa im Rahmen des "Zeitungsflirts".
Welzel gab sich zuversichtlich, dass es gedruckte Zeitungen auch noch in ein, zwei Generationen geben werde. Ein Besucher kommentierte, dass ja auch der Bedarf an Büropapier mit Einführung der Computer enorm angestiegen und nicht etwa wie erwartet gesunken sei. Zudem seien digitale Medien stromabhängig und besitze Gedrucktes einen eigenen Reiz. Mit Goethe bekräftigte der VHS-Hörer gegenüber Klaus Welzel: "Was Du schwarz auf weiß besitzt, kannst Du getrost nach Hause tragen."
Info: Nächste Veranstaltung der Reihe ist am Mittwoch, 8. November, ab 19.30 Uhr im VHS-Haus. Da spricht die Geologin Friederike Werling über "Menschen, Natur und Katastrophen".