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Tramer/Autenrieth in Eberbach: "Ich biss gerade einem Schokoladen-Luther den Kopf ab ..."

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Von Barbara Nolten-Casado

Eberbach. Das Reformationsjubeljahr ist auch am Tastenduo Tramer/Autenrieth nicht spurlos vorübergegangen. Im Gegenteil. Haben sich die beiden Tastenkünstler doch jede Menge musikalische Gedanken gemacht, um 500 Jahre Reformation auf ihre Weise zu würdigen. "Horizonte" hatten sie ihr Konzert überschrieben, das mit "musikalischen Nachklängen zum Lutherjahr" am Samstagabend rund fünfzig Zuhörer ins evangelische Gemeindehaus gelockt hatte. Der Erlös des Konzerts sollte der evangelischen Kirchenmusikpflege in Eberbach zugute kommen.

"Ich biss gerade einem Schokoladen-Luther den Kopf ab, als Ronald anrief …", ließ Hartmut Tramer seine Zuhörer an der Entstehungsgeschichte der samstagabendlichen Veranstaltung teilhaben. Der musikalische Einstieg oblag dann Ronald Autenrieth. Martin Luther als Augustinermönch hatte ihn dazu inspiriert, sich der Gregorianik anzunehmen. Zwei Gesänge der Heiligen Hildegard von Bingen hatte er dafür in heutige Tonsprache übersetzt. Auf dem von den Eberbacher Kunstfreunden zur Verfügung gestellten Konzertflügel ließ Pianist Autenrieth die 1000-jährigen Melodien in neuem Glanz erstrahlen, indem er gregorianischer Strenge quasi romantische Klangfarben gegenüberstellte.

Mit dem großen Sound seiner digitalen Viscount-Orgel machte Tramer anschließend den Gemeindesaal - wie so viele Orte zuvor - in Franz Liszts "Cárdás obstiné" akustisch zur Kathedrale. Warm und harmonisch, an moderne Entspannungsmusik erinnernd, legte sich der Klangteppich aus Charles Ives’ Komposition "The Unanswered Question" anschließend auf die Gemüter der Menschen im Saal. Bis die jähe "Frage" in all ihrer Dissonanz sie ein ums andere Mal aus der samtenen Traumwelt riss. Für maximale Disharmonie sorgte dabei Tramers Ehefrau Annette Schabbeck - durch Auflegen von Gewichten auf bestimmte Tastengruppen. Die Antworten auf die Frage endeten übrigens im musikalischen Chaos.

Luthers wohl berühmtester Choral "Ein feste Burg ist unser Gott" wurde in der von Autenrieth am Klavier interpretierten "Heldenlegende" des Schweden Thorsten Petre (1863-1928) zum Beispiel für den Missbrauch von Chorälen zu kriegerischen oder politischen Zwecken. In einer "Meditation" brachte Tramer Teile aus Bachs Matthäus-Passion, Mendelssohns Reformationssinfonie, einem "Brandenburgischen Konzert" und dem durchaus reformatorisch anmutenden "Die Gedanken sind frei" auf seine ihm eigene Weise an der Orgel miteinander ins Gespräch. Mit dem vor 500 Jahren komponierten Parodiestück "Judentanz" nahm Autenrieth Bezug auf Luthers "schwieriges Verhältnis" zum Judentum.

Ganz novemberlich thematisierte Tramer in einer Orgelbearbeitung von Bachs "Komm süßer Tod" den Sensenmann, um ihn anschließend mit dem klanggewaltigen, bedrohlichen "Thanatos" aus der Feder seines Freundes Autenrieth zu kontrastieren. Dieser wiederum beeindruckte mit einem eigens fürs Reformationsjubiläum geschriebenen "Triptychon" über den Luther-Choral "Ein feste Burg", bevor Tramer Letzteren zum Abschluss des Konzerts mit Bachs d-Moll-Toccata mischte, um den Abend dann ganz leise in Sgambatis "Mélodie de Gluck" ausklingen zu lassen. Herzlicher Applaus dankte für ein besonderes Konzert.


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