Von Rainer Hofmeyer
Eberbach. Von Kriminaldirektor Michael Kaiser über die Erste Kriminalhauptkommissarin Martina Seiffert bis hin zu Kommissar Rico Sander von der "Soko Stuttgart" - eine Ballung von hohen Polizei-Dienstgraden, wie sie bislang sicherlich nicht auf einmal im Verhandlungssaal des Amtsgerichtes Eberbach zu finden waren. Und ganz bestimmt gestalteten sich dort die Fälle auch nicht so spektakulär wie diejenigen, die die Stuttgarter Kripo-Spezialisten jeden Donnerstag im Zweiten Deutschen Fernsehen abreißen. Aber: Das Amtsgericht Eberbach hat künftig mit großen TV-Kriminalfällen zu tun.
Hier in Eberbach ging es bislang gesitteter zu. Letzte Woche hatte Jens Haaß, Richter am Sozialgericht Mannheim, im Amtsgerichtsgebäude sechs für das Publikum weniger bedeutsame Fälle abgehandelt, ehe nunmehr der kleine Gerichtssaal beim Bahnhofsplatz für immer geräumt werden muss. Die Justiz gibt ihr Eberbacher Gebäude zum Jahresende auf.
Aber jetzt wird aus der Sache großes Kino. Denn das Eberbacher Mobiliar ist typisch für Amtsgerichte. Ein hoher Richtertisch, eine kleine Barriere für Zeugen, eine harte Bank für die Angeklagten und tribünenhaft aufsteigende Plätze fürs Publikum. Das 1950er-Jahre-Möbel ist eigentlich zu schade für den Sperrmüll. Marcus Ziegler, Leiter der Verwaltung des Amtsgerichtes Heidelberg, wollte die Einrichtung nicht so einfach entsorgen und suchte nach Interessenten für den justiziellen Fundus. Von Käufern abholen lassen und vielleicht noch etwas für die Gerichtskasse einnehmen zu können, ist immer noch billiger, als Ausbau, Abtransport und Entsorgung auf Staatskosten zahlen zu müssen. Außerdem wäre auch ein klein wenig heimische Amtsgerichts-Geschichte verloren gegangen.
Das Angebot eines Eberbacher Entrümplers lag schon auf dem Tisch. Da meldete sich glücklicherweise "Der Findus". Die Stuttgarter Requisitenfirma, die auch den Fundus für die Bavaria Fiction TV Produktion stellt, hat sogleich Interesse gezeigt. Schließlich gibt es in Deutschland viele Krimiserien, die einen authentisch aufgebauten Gerichtssaal brauchen können. Der gesamte Eberbacher Raum soll folglich originalgetreu und permanent in einem Stuttgarter Studiogelände platziert werden. Dort, wo die Bavaria die TV-Serie "Soko Stuttgart" produziert.
Mitte Oktober wurde der Kaufvertrag über die Eberbacher Einrichtung geschlossen. Der Saal wurde minutiös vermessen, um ihn dann wieder originalgetreu zusammensetzen zu können. Ein Schreiner hat sich extra um die Einzelheiten der Handwerksarbeit gekümmert. Auch die "typischen" Verkleidungen werden abgenommen, die Stufen im Zuschauerbereich kommen raus. Thomas Stromberger von "Findus" hat für das fachgerechte Ausräumen einen Tag veranschlagt. Dann ist das Eberbacher Amtsgericht endgültig Vergangenheit.
Aber das Mobiliar findet sich ja dann künftig immer noch bei der "Soko Stuttgart" im ZDF wieder, wobei der Amtsrichter dort nicht über Hasen- und Fahrraddiebstähle zu befinden hat, wie so oft im badischen Eberbach. Sondern, wenn es um die ganz aufsehenerregenden Mord- und Totschlagsfälle in Stuttgart geht, die das fünfköpfige Ermittlerteam erfolgreich klären muss. Ausgerechnet das "kurpfälzische" Eberbacher Amtsgericht schreibt bald schwäbische Rechtsgeschichte, wenn auch nur fiktiv - wer hätte das gedacht…