Von Jutta Biener-Drews
Eberbach. Früh aufzustehen macht Frieder Raab nichts aus. Auch nicht um Viertel vor Vier. Und seinen Job liebt er sowieso, egal um welche Tageszeit. Raab ist 62, kommt aus Neckarsteinach und steuert seit 17 Jahren Stadtwerke(SWE)-Busse auf den städtischen Linien.
Auch den frühesten der Frühbusse, den um 5.07 Uhr ab Neuer Markt zum Ledigsberg, Ankunft: 5.13 Uhr. Eigentlich immer leer, es sei denn, ein versprengter Spätheimkehrer will noch heim. Oder ein Schichtler. Auch um 5.26 Uhr vom Bahnhof nach Rockenau oder um 5.32 Uhr Richtung Steigeschule ist Frieder Raab im Bus meist für sich.
Verkehrsbetriebsleiter Markus Böhm hilft auf die Sprünge: bei leeren Bussen, erklärt er, ist oft die Gegenrichtung entscheidend. Um diese Uhrzeit geht es schlicht darum, die Leute vom Ledigsberg, aus Rockenau, aus Eberbach Nord oder entlang der Friedrichsdorfer Landstraße auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder zum Zug dahin abzuholen.
S-Bahnen in die Zentren Heidelberg/Mannheim und nach Mosbach verkehren schon ab kurz vor 5 Uhr halbstündlich. Und die Stadtwerksbusse sorgen mit ihren Linien für Anschluss. Frühmorgens zwischen 5 und 7 Uhr steigen hauptsächlich Berufstätige in die Busse, stellt Markus Böhm fest. Zwar sind auch schon Schüler gut dabei, die Schulen außerhalb besuchen, in Neckargemünd oder in Heidelberg. Aber der klassische Schülerverkehr setzt erst um 7 Uhr ein.
Auf dem Bahnhof ist schon mächtig was los. Sieben Linienbusse aus allen Himmelsrichtungen rollen um 6.30 Uhr in die Haltebuchten: drei von den SWE, die anderen aus der Nachbarschaft, aus Erbach, aus Beerfelden. Mitarbeiter von Gelita und Catalent, den großen Unternehmen an der Gammelsbachmündung, gelangen mit den Bussen Richtung Beerfelden oder in den Ortsteil Igelsbach ins Geschäft.
Frieder Raab ist einer von insgesamt acht Fahrern im SWE-Linienverkehr. Sieben von ihnen sind pro Tag im Einsatz. Wer abends als letzter seinen Bus ins Depot steuert, hinterlässt ihn besenrein für die Frühschicht. "Das reicht in der Regel", sagt Raab und lässt in puncto Wohlverhalten nichts auf seine Eberbacher Fahrgäste kommen. Um 4.50 Uhr trifft Raab in der Güterbahnhofstraße ein, vor der ersten Fahrt ist noch die Abfahrtskontrolle fällig.
Nachprüfen, ob am Bus die Beleuchtung funktioniert, ob alle Nothämmer vorhanden sind und dergleichen. Für den Fahrscheinverkauf muss die Kasse eingerichtet werden. Obwohl sich Einzeltickets nur die wenigsten Fahrgäste lösen, "die meisten haben Jahreskarten", weiß Markus Böhm. Auch die "Karte ab 60" ist stark verbreitet.
So früh am Morgen ist es im Moment noch stockfinster, und wer da zu Frieder Raab in den Bus steigt, "ist noch im Schlafmodus". Ruhe allenthalben. Mehr als ein "Hallo" beim Einsteigen ist nicht. Sobald die Tage wieder früher beginnen, sind die Leute auch wieder aufgeweckter, weiß der Busfahrer. "Dann unterhält man sich auch mal beim Aussteigen am Bahnhof".
Raab und seine Kollegen wissen immer ziemlich genau, wer wann an welcher Haltestelle einsteigt und wohin die Fahrt geht. Die Verhältnisse in Eberbach sind auch für Busfahrer überschaubar, alles geht recht persönlich zu. Wenn da mal jemand 14 Tage lang nicht aufkreuzt zur gewohnten Zeit, fragt man untereinander schon mal rum, ob jemand was weiß, sagt Raab. "Umgekehrt erkundigen sich aber auch die Fahrgäste, wenn sie einen Fahrer länger nicht gesehen haben. Man hat schon den Bezug".
Kein Vergleich also mit großstädtischen Verhältnissen. "Man redet hier miteinander, wenn was ist", sagt Markus Böhm. Wenn einer seine Fahrkarte verlegt hat zum Beispiel und bei Fahrtantritt im Bus nicht vorzeigen kann. "Dann wird auch bei den Stadtwerken angerufen" und gut is! "Wir reißen niemandem dem Kopf ab, wir wollen die Leute nicht verärgern". Der Umgangston sei freundlich, Rücksichtnahme selbstverständlich, "man macht als Fahrer für jemanden auch noch mal extra die Tür auf!"
Nur überziehen sollte man es mit seinen Ansprüchen natürlich nicht, schildert Raab einen Vorfall bei winterlicher Straßenglätte. Ein Fahrgast, der normalerweise mit dem Auto zur Arbeit fährt, stieg da in aller Herrgottsfrühe am Ledigsberg in den Bus, um pünktlich zum Bahnhof zu gelangen. "Das haben wir natürlich auch nicht geschafft", sagt Raab und lächelt verhalten.
Zurück zum Bahnhof. Früher, erinnert sich der Verkehrsbetriebsleiter, war das im Busverkehr der große Personenumschlagplatz. Aber das Einkaufszentrum hat sich aus der Innenstadt nach außen verlagert, und so bedienen die SWE mit ihren Verbindungslinien die Bedürfnisse einer älter werdenden Kundschaft, die auf möglichst direktem Weg ins Einkaufszentrum, zum Arzt oder auf den Wochenmarkt möchte. Die alte Dame, die vom Ledigsberg in die Discounter will, muss jetzt am Bahnhof nicht mehr umsteigen, sondern hat Direktanschluss nach Norden, so der 54-Jährige. "Auch auf dem Rückweg mit ihren schweren Taschen kann sie im Bus sitzenbleiben".
Solche Besorgungs- und Einkaufsfahrten beginnen laut Markus Böhm allerdings erst nach dem Schülerverkehr gegen 8.30 Uhr. Die ersten menschenleeren Busse sind da längst durch. Wie ist das eigentlich um 5.07 Uhr, wenn überraschend ein Fahrgast am Neuen Markt steht? Einen Schreck jagt ihm das nicht ein, lacht Raab: "Ich freue mich! Wir sind ja nicht da, um Luft zu bewegen, sondern um Fahrgäste zu befördern".