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Eberbach: Österliches Glockengeläut setzt der Stille und Trauer ein Ende

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Von Barbara Nolten-Casado

Eberbach. Er hat schon etwas Besonderes, der Klang der Glocken, der seit Jahrtausenden in vielen Religionen und Kulturen Himmel und Erde verbindet. Der spätestens seit dem Mittelalter im christlich geprägten Europa die Menschen zu Gebet und Gottesdienst lädt und den Tageslauf strukturiert. Gilt Glockengeläut manchem Zeitgenossen heute nur noch als Lärm, so schwingen die "Klänge der Unendlichkeit" bei anderen tief in die Seele hinein. In Sagen, Legenden, Gedichten ist es oft der "von Jugend vertraute Klang", der Menschen innehalten lässt. In Goethes Faust sind es die mitternächtlichen Osterglocken, die ihn vom Selbstmord abhalten und ihn sich neu dem Leben zuwenden lassen.

In katholisch geprägten Gegenden müssen die Menschen freilich einmal im Jahr auf den tief verinnerlichten Klang verzichten. Zwischen Gründonnerstagabend und der Osternacht bleibt es still in diesen Gemeinden. Mit dem Abendmahlsgottesdienst am Donnerstag hat Jesu Leidenszeit begonnen, die hin zum Tod am Karfreitag und der anschließenden Grabesruhe am Karsamstag führt. Totenstille. Kein festliches Geläut. Kein Orgelklang.

Auch in Eberbachs katholischen Kirchen schweigen in diesen Tagen die Glocken. In St. Johannes Nepomuk ist es Dr. Peter Sack, der "Michael" und "Maria", "St. Johannes Nepomuk", "Pius" und "Angelus" nach dem Gloria der Gründonnerstagsfeier per Knopfdruck Stille verordnet hat. Und nicht nur die fünf großen Glocken in den beiden Türmen der Pfarrkirche müssen sich bis Samstagnacht hier des Läutens enthalten. Auch die Altarschellen, die das Jahr über bei jeder Eucharistiefeier zum Einsatz kommen, werden in die Sakristei verbannt. An ihrer Stelle rufen hölzerne Klappern mit ihrem harten, an die Hammerschläge bei Jesu Kreuzigung erinnernden Knall die Gläubigen zur Andacht.

"In manchen Gegenden gehen die Ministranten an Karfreitag bis heute auch mit Klappern oder Ratschen durch die Straßen ihrer Gemeinden, um die Leute zum Gottesdienst einzuladen", weiß Peter Sack. "Aber in Eberbach kennt man diesen Brauch nicht." Er muss es wissen, schließlich war er selbst hier 13 Jahre lang Ministrant und versieht nun seit rund zehn Jahren das Amt des Mesners in der Stadtkirche. Wie ist das für einen Ministranten, wenn er plötzlich die wohlklingenden Altarglöckchen durch die schnarrende Holzklapper zu ersetzen hat? "Aufregend", erinnert sich Sack an seine eigene "Mini"-Zeit. "Es ist ja was Besonderes, das es nur einmal im Jahr gibt."

Der Klang sei fürchterlich laut, "man muss mutig drangehen". Meist seien es die älteren Ministranten, die das aufschreckende Geräusch erzeugen dürften. "Die streiten sich darum", lacht Sack. Und wenn die "Minis" nach der Gründonnerstagsmesse zurück in die Sakristei kommen, dann erwartet sie dort bereits eine Postkarte - aus Rom. "Ein Gruß von den Glocken", schmunzelt Sack. Schließlich sagt die Legende, dass die Glocken in den stillen Tagen vor Ostern nach Rom fliegen. "Dort holen sie sich den Segen vom Papst, den sie dann mitbringen, wenn sie in der Osternacht zurückkehren."

Die Auferstehungsfeier in der Nacht von Samstag auf Sonntag ist für Peter Sack seit seiner Ministrantenzeit "der schönste Gottesdienst im Jahreskreis".

Der Einzug von Pfarrer und Ministranten mit der Osterkerze in die dunkle Kirche, in der sich das Licht langsam ausbreitet, der irgendwann die Grabesstille sprengende Jubel der Altarschellen, das triumphale Brausen der Orgel, der majestätische Klang der Osterglocken, die den Sieg des Lebens über den Tod in alle Welt verkünden… "So ein Gottesdienst muss richtig inszeniert werden", findet Sack. "Da ist eine Dramaturgie nötig, damit die Kontraste aus Dunkelheit und Licht, aus Grabesruhe und Osterjubel so richtig erfahrbar werden können."

Und was empfindet er, wenn er als Mesner nach den stillen Kartagen zum Gloria der Osternacht alleine in der Sakristei steht, um im entsprechenden Moment den Knopf der elektrischen Glocken-Steuerung zu drücken? "Erleichterung, dass Stille und Trauer nun vorbei sind und es wieder fröhlich wird", sagt Peter Sack. "Es ist immer noch die gleiche Faszination wie als Ministrant."


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