Von Christofer Menges
Eberbach. Plötzlich kracht es. "Wieder einer", sagt Hartmut Tramer, während er auf dem Bänkchen vor dem Breitenstein-Hof sitzt, den er gemeinsam mit Annette Schabbeck gepachtet hat. Wieder ein Ast eines Apfelbaums, der unter der Last seiner Früchte geborsten und abgebrochen ist. Tramer und Schabbeck hören es schon seit Wochen immer wieder krachen. Ein heruntergebrochener Ast drückt auf die alte Telefonleitung und spannt sie nach unten, bei einem anderen Baum ist die Krone in vier Teile geborsten, weil er das Gewicht nicht mehr tragen konnte. Auf dem Weg am Hof vorbei liegen zermatschte Äpfel in Massen, am Wegesrand liegen Haufen von Obst.
Der Eberbacher Naturschutzbund ist seit 45 Jahren auf dem Breitenstein aktiv. Dass es jemals so viele Früchte dort gegeben hätte, daran können sich weder der aktuelle Nabu-Vorsitzende Max Schulz noch der Mitgründer der Eberbacher Gruppe und langjährige Vorsitzende Heini Rumetsch erinnern. "Ein außergewöhnliches Jahr", sagt Schulz. Und es seien nicht nur Äpfel, die ungewöhnlich viele Früchte trügen, sondern auch Zwetschgen, Eicheln und im Frühsommer die Fichten.
Ein paar der Äste haben der Nabu und einige Eigentümer mit Stöcken abgestützt. Von ein paar der Bäume haben die Naturschützer die Äpfel runtergeschüttelt. "Die Äste gingen danach wieder richtig nach oben", sagt Rumetsch. Doch alles kann der Nabu nicht richten.
Das Problem sind die Eigentumsverhältnisse auf dem Breitenstein: Rund 900 Grundstücke in kleinen Parzellen, 21 davon gehören dem Nabu, darunter sind vier Streuobstwiesen, ein paar gehören der Stadt.
"Viele Leute wissen gar nicht, dass sie hier oben ein Grundstück haben", sagt Nabu-Vorsitzender Schulz. Entsprechend kümmert sich um manche Bäume auch keiner. Teils handelt es sich bei den Besitzern um Erbengemeinschaften, einige sind in der ganzen Welt verstreut, leben unter anderem in Amerika, wie Schulz weiß. Finanziell ist Landbesitz auf dem Breitenstein uninteressant, sagt Rumetsch.
Das meiste Obst liegt einfach herum, fault, bietet Kleinsäugern, Vögeln und Insekten Nahrung. "Nicht mal die Wildschweine gehen ran", sagt Schulz. Früher war das anders: "Da haben die Alten die Bäume noch geschnitten, geerntet und Most gemacht. Damals kam es auf jeden Apfel an. Die sind nicht in den Supermarkt und haben Äpfel gekauft", erinnert sich Rumetsch. Bis in die Siebziger-Jahre habe der Feldschütz noch geschaut, dass auch ja keiner Obst klaut.
Auf dem Breitenstein gibt es etliche alte Apfelsorten: Brettacher, Boskoop, Goldparmäne, auch den Eberbacher Seitenrück, der erst vor kurzem wiederentdeckt wurde. 627 Hochstammbäume hat der Nabu nach den Unterlagen von Rumetsch seit 1980 auf dem Breitenstein selbst angepflanzt oder den Grundstücksbesitzern die Anregung dazu gegeben und Zuschüsse besorgt. "Bei einer Obstbaumzählung in den 1930er-Jahren wurden über 3000 Bäume gezählt", weiß Rumetsch, "heute sind es noch etwas mehr als die Hälfte." Doch abgeerntet wurden dieses Jahr bislang die wenigsten.
Der Wunsch der Naturschützer wäre, dass sich mehr Grundstücksbesitzer um ihre Bäume kümmern. Wenn die Eigentümer die Äste zur Reisighaufen stapelten, böten diese Kleintieren wie dem Neuntöter einen Unterschlupf Vielleicht wäre es auch wieder möglich, einige städtische Bäumen wie früher zum Abernten zu versteigern. Der Nabu selbst ist dabei, Obst-Patenschaften für seine Bäume zu vergeben und hat dafür schon einige Interessenten gefunden, aber auch noch Flächen zu vergeben. Christina Kunze, Leiterin der Naturschutzjugend, überlegt, ob es möglich wäre, die mobile Saftpresse der Schwarzacher Johannes-Diakonie auf den Breitenstein zu bekommen.
Letztlich geht es bei der Kulturlandschaft, durch die auch der Neckarsteig führt, aber eher um den optischen Eindruck, wenn überall faule Äpfel und abgebrochene Äste herumliegen. Die Apfelbäume werden sich nach Einschätzung der Naturschützer auch so wieder erholen. "Die Natur kann mit abgebrochenen Ästen leben", sagt Nabu-Vorsitzender Schulz.