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Eberbacher Epilepsie-Warnhund: Collie-Hündin erkennt Anfälle rechtzeitig

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Von Barbara Nolten-Casado

Eberbach. "Sag hallo", ermuntert Veronika Stolz Collie-Hündin Alia, die daraufhin mit freudigem Schwanzwedeln den Mann und die Frau in der blauen Berufskleidung der Eberbacher GRN-Klinik begrüßt. Erst vor wenigen Wochen hatte Alia Assistenzarzt Thorbjörn Striecker und Krankenschwester Christina Morcinek-Nocco in der Notfall-Ambulanz des Krankenhauses kennengelernt - und sie dabei unübersehbar in ihr Hundeherz geschlossen.

"Es war einfach nur großartig, wie offen und bereitwillig man uns hier begegnete, als wir den Wunsch äußerten, den Hund zu einer Notfallbehandlung unserer Pflegetochter Judita mit in die Ambulanz zu bringen", schwärmen Veronika und Rainer Stolz aus Waldbrunn-Oberdielbach. Dabei sei dem ausgebildeten und geprüften Epilepsiewarnhund von Rechts wegen der Zutritt überall offiziell gestattet - sogar im Krankenhaus, was allerdings vielerorts immer noch nicht ausreichend bekannt sei.

Nach wie vor heißt es für Familie Stolz in so manchem Geschäft, Café oder beim Zahnarzt: "Nein, der Hund darf hier nicht rein." Anders im Eberbacher Krankenhaus. So waren Familie Stolz und Anaya Benalia vom Waldbrunner Pflegedienst Eden, der Tochter Judita zweimal die Woche für ein paar Stunden betreut, noch einmal im Krankenhaus zu Gast, um Danke zu sagen.

Es war Anfang Dezember, als Judita wegen einer Kopfverletzung im Eberbacher Krankenhaus behandelt werden musste. Die 21-Jährige leidet außer an Epilepsie auch an Autismus. Sie besucht die Schule der Johannes-Diakonie in Schwarzach und arbeitet dort begeistert auf der Jugendfarm mit, versorgt die Tiere, mistet Ställe aus.

Im Ziegenstall passierte es: Judita stürzte und verletzte sich heftig am Kopf. Die Pflegeeltern wurden benachrichtigt. Sie brachten die junge Frau zur Eberbacher Klinik. "Ich hatte große Sorgen, dass der Sturz und die Aufregung einen epileptischen Anfall auslösen könnte und bat daher bei der Aufnahme meiner Tochter darum, den Hund mitnehmen zu dürfen", berichtet Veronika Stolz.

"Bereits einige Minuten vor Eintreten bevorstehender Anfälle spüren Epilepsiewarnhunde diese", erläutert sie. Sie reagierten dabei auf eine Verminderung der Sauerstoffsättigung des Blutes, die kurz vor epileptischen Anfällen erfolge. "Alia stupst unsere Tochter dann an Mund und Ohr", berichtet die Pflegemutter.

Da Judita sich aufgrund ihres Autismus nicht selbst helfen kann, messen Eltern oder eine andere Begleitperson dann mithilfe eines Pulsoxymeters, den das Mädchen immer in einer Tasche bei sich führt, den Sauerstoffgehalt des Blutes. Ist er niedrig und steigt nicht innerhalb von rund 30 Sekunden erneut an, so wird ein Notfallmedikament verabreicht, das Judita ebenfalls immer bei sich hat. "Dadurch lassen sich die zum Teil lebensbedrohlichen Anfälle verhindern", so Stolz.

Sei Judita in einer solchen Situation gerade allein in einem Raum, so rufe Hündin Alia durch lautes, aufgeregtes Bellen um Hilfe. In der GRN-Klinik angekommen, wurden Judita und ihre Eltern an jenem Dezembertag von Krankenschwester Christina in Empfang genommen. Veronika Stolz schilderte ihr die Sachlage. Nach anfänglichem Zögern stimmte Schwester Christina der Anwesenheit des Hundes zu und führte die Familie samt Warnhund in einen "separierten" Behandlungsraum.

"Für mich war das in dem Moment die richtige Entscheidung", sagt die Krankenschwester. "Da stand die Grunderkrankung eindeutig im Vordergrund. Ein epileptischer Anfall wäre ja schlimmer gewesen als der Hund." Eine Entscheidung, die seitens der Klinikleitung im Nachhinein eindeutig bestätigt wurde.

"Erschrick dich nicht, da ist ein Hund im Zimmer", erging Schwester Christinas Vorwarnung dann an den diensthabenden Mediziner Thorbjörn Striecker. Seit 2016 ist er als Assistenzarzt in Urologie und Notfallambulanz des Eberbacher Krankenhauses tätig. Aber einen Fall mit Hund, nein, den hatte er bis dahin noch nicht erlebt. "Ich war im ersten Moment etwas verwirrt", sagt Striecker. "Aber dann war alles ganz unproblematisch." Juditas Kopfverletzung stellte sich als Platzwunde heraus, die mit ein paar Stichen genäht werden musste. "Der Hund hatte genügend Abstand zum OP-Feld - das entsprach den Hygienevorschriften."

Im Nachhinein begrüßt der junge Arzt ausdrücklich die vom Gesetzgeber vorgegebene Möglichkeit, einen Epilepsiewarnhund auch bei einer ärztlichen Behandlung im Krankenhaus zuzulassen. "Der Hund kann viel früher klinische Warnzeichen auffassen als wir mit diagnostischen Mitteln." Das gewähre einen großen Zeitgewinn, etwa wenn ein Venenzugang gelegt werden müsse, und helfe, die klinische Situation einzuschätzen. Oder wie Pflegemutter Veronika Stolz es ausdrückt: "Wenn der Hund entspannt danebenliegt, weiß man, da ist nix."

Dreieinhalb Jahre Assistenzhundeausbildung hat Alia absolviert, bis sie im Juni 2018 die Assistenzhund-Team-Prüfung erfolgreich ablegen konnte. Seitdem darf sie die blaue Weste mit der Aufschrift "Assistenzhund" tragen. In Verbindung mit einem entsprechenden Ausweis verleiht dies ihr nun ganz offiziell das Recht auf Zutritt - überall.


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