Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach. Perfekter kann ein Sommertag kaum sein: Sommer, Wochenende, mittags ins Schwimmbad, abends Kuckucksmarkt. Den Händlern und Schaustellern allerdings hat die Sonne das Geschäft und die Laune verhagelt. Beim Roten Kreuz hilft man sich mit Vernebelungstaktik. Im Wagen ist es stickig und schwül, draußen unerträglich heiß; Sprühnebel aus einer Blumenspritze bringt Erleichterung für ein paar Sekunden. Der Security-Mitarbeiter ist noch frisch, hat grade erst angefangen. Ohne Taschenkontrolle kommt niemand durch, niemand hat etwas dagegen: "Find ich gut", ist immer wieder zu hören.
Am frühen Abend sind die Besucher bester Laune, der Uhrenverkäufer aber meint gallig: es kann nur noch besser werden. Sein einziges Geschäft an diesem Tag hat er mit dem Nachbarn vom Süßwarenstand gemacht, beide sind sich einig: es hätte gereicht, wenn sie um sechs aufgemacht hätten. Mit Einbruch der Dämmerung füllt sich der Markt schnell, es ist jetzt angenehm warm, perfekt zum Flanieren. Die Stände der Fressmeile sind gut besucht, fast alle Tische besetzt. Zum Kaffee ein Stück Marmorkuchen (heute Mittag frisch gebacken), das auch für drei reichen würde. Es ist die zweite Station für Claudia, Tanja, Simone und Silke, Freundinnen seit Grundschulzeiten, Claudia ist die einzige, die nicht von hier ist und als einzige hier wohnt. Das Treffen auf dem Kuckucksmarkt ist ein Fixpunkt im Terminkalender mit festem Ritual: "Erstens das kulinarische Angebot ausprobieren ("damit wir eine ordentliche Grundlage haben"), dann Kaffee und Cocktail; das Fischbrötchen später auch ein Muss.
Fisch vom Feinsten wäre der Flammlachs, am offenen Feuer sanft geröstet. In der Hitze geröstet wurde vor allem der Mann, der ihn zubereitet, in zehn Stunden hat er gerade zehn Stück verkauft.
Im Mostzelt gegenüber gibts Musik, Erbsensuppe und Handkäs, alle Tische sind besetzt, Oktoberfest-Stimmung. Gleich daneben wieder mehr von Kater. Seit 45 Jahren verkaufen Gabriele und Rudolf Kleinknecht, was man im Haushalt so braucht - Messer und Ohrreiniger, Zeckenzange, Hosenträger und Haken, Gürtel, Kurz- und Stahlwaren. Der Markt hat sich sehr verändert", stellen sie fest; mehr Festbesucher, weniger Käufer,und die Eberbacher wollen billig kaufen. Als Marktbeschicker muss man sich Eberbach leisten können, sagen sie: es ist der teuerste Platz, den sie besuchen: "In Bad Neuenahr zahlen wir weniger als die Hälfte und verdienen mehr als doppelt so viel".
Eierlegende Wollmilchsau: Das war die längste Inschrift, die Gheorghe Vasilache mal abverlangt wurde, eine echte Herausforderung. Der gelernte Zahntechniker fräst Dekore und Inschriften in Gläser und Becher, bunte Kaffeetassen mit Namen sind der Renner, 8,50 kostet eine, egal ob Tim oder Thimoteus draufstehen soll. "Man muss davon leben", sagt seine Frau, "das ist manchmal ein hartes Brot." Dem Reinigungsmittel-Verkäufer stinkt’s, sein Verkaufspult steht direkt über einem Gully, wegen der Geruchsbelästigung verzichten die meisten Interessenten auf eingehende Beratung. "Drei mal wurde von den Veranstaltern schon jemand geschickt, um sich das anzuschauen, passiert ist nichts."
Der Schießstand ist für Selina und ihre Freundin Jaqueline eine Art Running Gag, sie haben eine Dauerwette laufen, wer besser trifft. Für die Ex-Eberbacherinnen ist wie für Viele der Kuckucksmarkt der Ort, wo man sich zuverlässig einmal im Jahr trifft. Sie lieben das Jahrmarkt-Feeling, Rummel wie man sich ihn vorstellt.
Dass es bei den Fahrgeschäften nicht gerade leise zugeht, liegt in der Natur der Sache: die markigen Ansagen gehören hier einfach dazu, sollen Kunden anlocken, die Spannung steigern und den Fahrgästen richtig gute Laune machen. In dem Trubel fällt der abgedeckte Kinderwagen neben dem Kassenhäuschen gar nicht auf, darin schläft Jessica Nickel, Schaustellerkind der 8. Generation, ihre Mutter aus der Schausteller-Dynastie Henn rechnet es genau nach. Den Wagen hat sie im Blick, sie ist selbst auf und mit dem Rummel groß geworden, Eltern und Geschwister sind gleichfalls hier auf dem Markt. Sie war vier, als sie ihren Mann zum ersten Mal gesehen hat, auf dem Erbacher Wiesenmarkt. In ihrer Familie sind 14, in der ihres Mannes 17 im Schaustellergeschäft tätig, für sie gehört der Kuckucksmarkt zum Leben und sie gehören zum Kuckucksmarkt, egal wie das Wetter ist.