Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach. Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut ist, ist es auch nicht das Ende. Eine Spruchweisheit, alles hätte ganz anders laufen können, wenn Menschen nicht weit mehr getan hätten, als sie hätten tun müssen. Vor einigen Wochen wurde dem Tierschutzverein Eberbach gemeldet, in einer Wohnung in der Friedrichsdorfer Landstraße würden Hunde gehalten, um die sich offenbar niemand richtig kümmere. Nachbarn sprachen von stundenlangem Bellen, durch die nur spaltbreit geöffneten Jalousien konnte man drei Tiere in einem abgeschlossenen Raum sehen, ohne Trinknapf, ohne Auslauf. Der Mieter war für die Hausverwaltung nicht erreichbar, mit Hilfe von Nachbarn gelang es dem Tierschutzverein, den Mann zu treffen, der offenbar beauftragt war, die Hunde zu versorgen.
Die inzwischen verständigte Polizei sah Handlungsbedarf, Polizeihauptkommissar Gerd Lipponer war dabei: "Dass die Hunde nur unzureichend versorgt wurden, konnte man sehen und riechen." Er macht Fotos und informiert das zuständige Veterinäramt in Wiesloch - auch darüber, dass Claudia Henn vom Tierschutzverein die Hunde mit dem schriftlichen Einverständnis des Betreuers zu sich nehme.
Der Mann zeigte sich offenkundig erleichtert, die Verantwortung für die Tiere abgeben zu können. Das Veterinäramt gibt seine Zustimmung, die Tiere werden aber nicht förmlich beschlagnahmt. Claudia Henn lässt sie vom Tierarzt untersuchen, der sieht zwar keine ausgesprochene Vernachlässigung, registriert aber bei allen Hunden lange Krallen. Der größere, ein Beagle, hat erhebliches Übergewicht. Beides ist wohl auf fehlenden Auslauf zurückzuführen, zudem seien die Tiere sehr ängstlich.
Alle drei Hündinnen haben bereits mehrfach geworfen, eine wohl erst vor relativ kurzer Zeit. Weil alle drei "Modehunde" seien, hält Claudia Hennes für nicht ausgeschlossen, dass der Welpenverkauf der eigentliche Grund für die Hundehaltung sei.
Bei ihr erholen sich die Tiere zusehends, entsprechend schockiert reagiert sie auf den Anruf des Amtes etwa sechs Wochen später, bei dem sie aufgefordert wird, die Hunde wieder zurückzugeben. Die Besitzerin habe sich beim Amt gemeldet und glaubhaft versichert, dass sie sich wieder verantwortungsbewusst um die Hunde kümmern werde; sie habe sich für längere Zeit in Ungarn aufgehalten, weil ihre Eltern verstorben waren. Da sie nach wie vor rechtmäßige Besitzerin der Hunde ist, müssen die Hunde wieder zurück, obwohl die Tierschützer massive Bedenken äußern: Die Frau hatte zu diesem Zeitpunkt keinen festen Wohnsitz, war schwanger und lebte von Sozialhilfe.
"Das reicht nicht, um die Besitzrechte der Halterin aufzuheben", erklärt Ulrich Eberhardt, Stellvertretender Leiter des Veterinäramts Wiesloch: "Sie haben eindeutig Vorrang vor den massiven und durchaus verständlichen Bedenken der Tierschützer". Zudem gelte eine Zucht bei drei Tieren nicht als gewerbsmäßig und sei keineswegs illegal. Dass dem Tierschutzverein die Versorgung der Hunde übertragen wurde, sei eine Notmaßnahme gewesen, weil die Besitzerin nicht zu ermitteln war, "etwas, das öfter mal vorkommt", erklärt Ulrich Eberhardt.
Harald Hohmann, Leiter der Polizeihundeführerstaffel des Polizeipräsidiums Mannheim und für diesen Fall zuständig, verdeutlicht das an einem Beispiel, wie es für Laien leichter nachvollziehbar ist: Hätte die Frau dem Bekannten ihr Auto während ihrer Abwesenheit überlassen, wäre sie auch nach wie vor die Fahrzeugbesitzerin mit allen daraus erwachsenden Rechten und Verpflichtungen.
Hier hätte die Geschichte enden können. Gerd Lipponer geht das alles eigentlich gar nichts mehr an, seine Dienststelle ist nicht zuständig. Aber ihm liegt das Wohl der Menschen in seinem Dienstbereich ebenso sehr am Herzen wie das der Hunde. Er bringt Tierschützer und Hundehalterin an einen Tisch und erarbeitet in eineinhalb Stunden einen für beide Seiten annehmbaren Kompromiss. Darin wird dem Tierschutzverein zugestanden, die Tiere und ihr Wohlergehen jederzeit kontrollieren zu dürfen, ebenso werden die Polizeihundeführer-Staffel und das Veterinäramt ein Auge auf sie haben. Beide Seiten unterzeichnen die Vereinbarung: "Ein Ergebnis, das für alle Beteiligten sehr bewegend war", sagt Lipponer.
Trotzdem fühlt es sich für die Tierschützer nicht wirklich gut an, das glückliche Ende kommt wenige Tage später. Die Hunde fordern den inzwischen gewohnten täglichen Spaziergang, die Besitzerin ist damit überfordert und bittet Claudia Henn, den Beagle - der ihr offenbar nachtrauert - wieder zu übernehmen.