Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach/Fahrenbach-Robern. Eigenes Gemüse ohne eigenen Garten? Die solidarische Landwirtschaft (Solawi) macht’s möglich. Was es bringt, wenn man Kohl, Kartoffeln & Co. nicht im Supermarkt kauft, erzählten der Bio-Bauer Michael Scheurig und Bernd Siegmund vom Verwaltungsrat der Solawi Heilbronn vorige Woche bei einer gut besuchten Veranstaltung der Volkshochschule Eberbach.
Woher kommt unser Essen? Aus dem Laden, so wie der Strom aus der Steckdose? Und vorher? Kaum jemand weiß das und nur wenige wollen es wissen. Michael Scheurig hat es erlebt, als Biologe, im Rahmen von EU-Projekten: lila Brokkoli-Felder, die Pestizide haben seine Nasenschleimhaut schon nach einem Tag verätzt. Auf Obstplantagen gab es für die Untersuchung ein Zeitfenster von zwei Stunden zwischen den Spritzungen. Für seine Tomaten muss ein Bauer in Apulien das Wasser inzwischen aus 25 Metern Tiefe holen, seinem Vater reichten noch zwei Meter. Die afrikanischen Billigstarbeiter in spanischen Folien-Gewächshäusern werden nach einem halben Jahr gegen neue ausgetauscht, weil ihre Lungen kaputt sind. In der Po-Ebene ist der Boden betonhart, Regenwürmer gibt es längst nicht mehr in diesem Krieg gegen die Natur.
Und bei uns? Auch hier wissen viele Bauern mehr über Subventionen als über ihr Saatgut, es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, wenn sie überleben wollen.
Der Welt-Markt gibt vor, was produziert werden soll und wie: Sorten, Saatgut, das sie nicht selbst vermehren können oder dürfen, Dünger und Spritzmittel gegen Schädlinge, Unkraut, Pilze. Sieben-Tage-Woche, kein Urlaub. Auch hier verarmen Böden und Bauern. Ein nasses Frühjahr, ein trockener Sommer, Sturm oder Hagel - und die Arbeit war umsonst.
"Landwirtschaft ist brutal" sagt Michael Scheurig, Menschen, Tiere, Böden werden bis zum Äußersten beansprucht, oft bleibt keine Wahl zwischen Ausbeutung und Selbstausbeutung. Viele Landwirte geben auf, er hat vor ein paar Jahren angefangen, mit dem Hof in Robern und der Idee einer naturgemäßen Anbauweise. Solidarische Landwirtschaft ist noch mehr: Ein Betrieb versorgt eine bestimmte Anzahl von Menschen. Die Mitglieder verpflichten sich, ein Jahr lang einen festgelegten Monatsbeitrag zu bezahlen; Grundlage sind die geschätzten Kosten. Dafür erhalten sie regelmäßig einen Anteil der Ernte. Damit ist der Landwirt nicht mehr abhängig von den Zwängen des Marktes, von dessen Normen und Vorgaben.
Tiefrot leuchten die Paprika aus dem Laub der strauchhohen Pflanzen, ungewöhnlich, dass sie im rauen Klima von Robern reifen, gelbe und rote Tomaten, Zucchini, Mangold, Salate - alle Pflanzen sehen gesund und kräftig aus. Gründüngung liefert die Nährstoffe, Mulchen hält den Boden feucht. "Beikräuter" werden von Hand gejätet, auf tierischen Dünger verzichtet Scheurig komplett, nimmt nicht einmal Hornspäne, weil auch darin noch unerwünschte Rückstände sein könnten. Nebeneffekt: Veganer geht nicht.
Zum Konzept gehört auch, dass die Mitglieder zweimal im Jahr, wenn besonders viel zu tun ist, zum Helfen anrücken, verpflichtend ist das jedoch nicht. Aber wer dabei war, erzählt begeistert davon. Der Hof liegt idyllisch zwischen Streuobst-Wiesen, Michael Scheurig verbindet den Einsatz mit den Hoffesten, nach der Arbeit sitzt man zusammen, Kinder wuseln über die Wiesen, die wie ein riesengroßer Abenteuer-Spielplatz sind. Landlebeben wie aus dem Bilderbuch, aber wer nur einen Tag selbst auf dem Acker gearbeitet hat, wirft so schnell keinen Salat mehr in die Tonne.
Es läuft gut in Robern. 95 Mitglieder hat die Gemeinschaft derzeit, gut zwanzig mehr könnte der Hof noch ernähren. Solidarische Landwirtschaft ist ein Gegenentwurf zur industrialisierten Produktion. Sie ist nachhaltig und regional und transparent und trägt dazu bei, dass die gewohnte, über Jahrhunderte entstandene Kulturlandschaft erhalten bleibt. Deren wirtschaftliche Bedeutung zeichnet sich gerade erst ab: Überschwemmungen sind nämlich nicht nur eine Auswirkung des Klimawandels, sondern auch eine Folge verdichteter Böden, die kein Wasser mehr aufnehmen.
Info: Die nächste Vollversammlung der Solawi Heilbronn-Mosbach, zu der auch Eberbach gehört, findet am 15. März statt, Anmeldungen sind bis dahin noch möglich bei Stefan und Katharina Klein, Telefon (0 62 71) 94 66.936. Weitere Infos unter www.solawi-erleben.de.