Von Martina Birkelbach
Eberbach. Sie sind ein wenig erschöpft, einige von ihnen haben am Mittwoch noch mündliche Prüfungen gehabt. Aber sie sind glücklich: 92 Realschüler haben am Mittwoch ihren Mittleren-Reife-Abschluss geschafft und starten nun in ein "neues Leben".
Karin Tröster, Nils Bergler, Anna-Lisa Grunewald und Abdulkader Zahin sind vier von ihnen. Sie erzählen, wie es in der Realschule war, und was sie jetzt so alles vorhaben.
"Die Lehrer waren alle super - bis auf einzelne Ausnahmen. Einige sind, besonders in den letzten beiden Jahren, oft auch mal vom Unterrichtsstoff abgeschweift und haben uns Tipps fürs Leben mitgegeben. Etwa, dass man immer gut recherchieren und nicht alles glauben soll, was man hört oder was im Internet steht.
Und dass man den Leuten begegnen soll, ohne Vorurteile zu haben. Wir haben Tipps für Berufe bekommen und die Lehrer haben uns immer geholfen", resümieren die vier.
Karin Tröster (16 Jahre) ist in Heidelberg geboren, wohnt in Haag. Nach der Grundschule in der Bildungswerkstatt Schönbrunn kam sie in der fünften Klasse in die Eberbacher Realschule. Zuletzt Klasse 10a, Klassenlehrerin Rina Dingrah-Müller. "Die Schulzeit war entspannt, ich hatte eigentlich nie Schulstress. Naja, in den letzten Wochen war es ein klein wenig stressig, aber nicht unmenschlich", sagt sie lachend.
Sie hat nebenher noch die Theater- und Artistik AG besucht sowie eine Streitschlichter-Ausbildung absolviert. Das Klima in der Klasse war "wechselnd". Von der fünften bis zur siebten Klasse gab es ein paar Kleinigkeiten, die nicht so schön waren - aber ab der achten Klasse war es "absolut friedlich".
Ihre Abschlussfahrt ging nach Berlin-Mitte: "Es war schön. Wir waren in einem Musical, bei der Gedenkstätte Hohenschönhausen und auch sonst viel unterwegs." Karin will nach den Sommerferien auf das Wirtschaftsgymnasium in Heidelberg und dort in drei Jahren ihr Abitur machen. "Ich habe eine vorläufige Zusage, es sollte klappen", sagt sie. Danach plant sie "eventuell ein Studium in Politikwissenschaften oder irgendetwas Geschichtliches."
Deutsch war ihr Lieblingsfach, sie schreibt gerne Berichte und würde auch gerne später als Journalistin arbeiten. Bis es mit der neuen Schule losgeht, will sie eventuell noch ihren Vater im Schwarzwald besuchen, ansonsten "entspannen".
Nils Bergler (16) ist in Eberbach geboren und wohnt auch im Stauferstädtchen. Er kam nach der Dr.-Weiß-Grundschule an die Realschule. Er war zuletzt ebenfalls in der 10a. "In der fünften und sechsten Klasse war es schwierig, da musste ich mich richtig reinhängen. Danach war es einfach. Der Unterricht hat mir gereicht, ich musste nicht viel lernen", sagt er.
Die Schule hat "immer für ein gutes Klassenklima gesorgt, es gab meistens keine sonderlich großen Probleme". Nils plant jetzt an das Technische Gymnasium in Mosbach zu wechseln und dort in drei Jahren sein Abitur zu machen. "Technik interessiert mich - und Mosbach ist nahe an Eberbach." Danach will er studieren, "Maschinenbau oder in die Richtung Informatik".
Seine große Leidenschaft ist das Rudern, seit mehreren Jahren ist bei der Rudergesellschaft Eberbach (RGE) aktiv. "Jetzt steht noch eine Regatta an und in drei Wochen die Landesmeisterschaften. Während der Trainingspause im Sommer will er in einem Intensivkurs seinen Führerschein machen.
Anna-Lisa Grunewald (16) ist in Eberbach geboren, wohnt in Schönbrunn und ist von der Bildungswerkstatt in Schönbrunn zur Realschule gewechselt. Sie war zuletzt ebenfalls in der 10a. "Die Grundschule ist mir sehr schwergefallen. Auch in der fünften und sechsten Klasse hat mich das Lernen noch nicht so interessiert, meine Noten waren durchschnittlich", sagt Anna-Lisa.
Ab der achten Klasse fiel ihr das Lernen leicht; plötzlich hatte sie einen Durchschnitt von 1,3. Ab da ist sie auch gerne zur Schule gegangen. Bis auf "kleine Auseinandersetzungen" hat es in der Klasse "nie Schwierigkeiten gegeben". "Ich war manchmal auch ein bisschen frech zu den Lehrern", gibt sie lachend zu. Die Klasse 10a hatte die Rektorin Regine Sattler-Streitberg als Co-Klassenlehrerin. "Da haben wir sie auf einer ganz anderen Ebene kennengelernt, auch Persönliches von ihr erfahren. Sie hat uns immer geholfen, wir hatten ein super Verhältnis", sagt Anna-Lisa.
An der Marie-Baum-Schule in Heidelberg-Wieblingen (Berufliches Gymnasium) will die 16-Jährige ab dem kommenden Schuljahr in drei Jahren ihr Abitur machen. "Da gibt es einen gesundheitlich-wissenschaftlichen Bereich, der mich sehr interessiert."
Danach will sie eine Ausbildung machen, eventuell als Notfallsanitäter, und anschließend studieren, "vielleicht Medizin oder Management Soziale Dienste". In der Sommerferien hat sie einen Ferienjob in der Johannes-Diakonie Schwarzach angenommen. Den Rest der Zeit will sie im großen Garten zuhause mit den kleinen Geschwistern verbringen.
Abdulkader Zahin (17) stammt aus Syrien, ist seit drei Jahren in Deutschland und wohnt mit seiner großen Schwester und deren Familie zusammen. Seine Eltern sind beide im Krieg in Syrien ums Leben gekommen. Er hatte in Syrien bereits die zehnte Klasse abgeschlossen.
Vier Monate war er in Mannheim, bevor er nach Eberbach für ein Jahr die VKL-Klasse der Realschule besuchte. Danach wechselte er in die neunte und zehnte Klasse (10c), und nun hat auch er seinen Abschluss geschafft. "Ich möchte mich in die Gesellschaft integrieren. Ich möchte hier leben und mir eine Zukunft aufbauen", sagt er.
In der neunten Klasse ist es "etwas schwierig gewesen, weil ich nicht viele Freunde hatte". Abdulkader war der zweite Flüchtling in der Klasse, "der andere hat mir viel geholfen". "Die Mitschüler waren anfangs etwas zurückhaltend, doch irgendwann haben wir miteinander gesprochen und uns besser kennengelernt. Ich habe Freunde gefunden."
In der zehnten Klasse hat es ihm richtig gut gefallen, auch wenn er "jeden Tag sehr viel lernen musste". Doch die Lehrer haben ihn viel unterstützt, vor allem, weil er alles nicht in seiner Heimatsprache Arabisch lernen musste. In seiner "FÜK" (Fächerübergreifende Kompetenzprüfung) hat er sogar die Note 1 bekommen. Thema: Literatur in der Zeit des Nationalsozialismus am Beispiel des Autors Erich Kästner. "Das Thema hat mich sehr interessiert, Deutsch und Geschichte sind meine Lieblingsfächer".
Abdulkader will nach dem Sommer an die Augusta-Bender-Schule in Mosbach, dort "BKST" (Duales Berufskolleg Fachrichtung Soziales) absolvieren und dazu in der Eberbacher GRN-Klinik arbeiten. Sein Ziel: "Ich will Krankenpfleger werden, ich möchte den Menschen helfen". In den Sommerferien will der 17-jährige noch einen Freund in Potsdam besuchen.
Info: Die Schüler der vier Abschlussklassen werden am Mittwoch, 11. Juli, um 18 Uhr im Rahmen einer Feier in der Stadthalle aus der Realschule Eberbach entlassen.